Süddeutsche Zeitung

US-Staranwalt:Für viele prominente Männer ist er die letzte Hoffnung

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Porträt von Alan Cassidy

Seine ersten Auftritte vor Publikum hatte er im Borschtsch-Gürtel, in den Catskill-Bergen nördlich von New York, wo jüdische Emigranten aus Osteuropa in der Nachkriegszeit gerne ihre Ferien verbrachten. Dort trat Benjamin Brafman als junger Mann in den Sommermonaten als Stand-up-Komiker auf, dort übte er den rasenden Humor, über den er einmal sagte, dass er ihn gut brauchen könne in seinem Beruf. "Manchmal bin ich die einzige Person, die noch übrig ist, die einen umarmt und mit einem spricht. Ich habe mehr Leute davon abgehalten, sich umzubringen, als die meisten Psychiater in ihrem ganzen Leben."

Brafman ist einer der bekanntesten Strafverteidiger Amerikas, einer der teuersten auch, und er ist spezialisiert auf schwierige Fälle - Fälle wie jenen des ehemaligen Hollywood-Produzenten Harvey Weinstein. Als im vergangenen Herbst die ersten von sehr vielen Frauen an die Öffentlichkeit traten und Weinstein beschuldigten, sie sexuell belästigt oder vergewaltigt zu haben, rief der Brafman zu Hilfe. Zu diesem Zeitpunkt hatte Weinstein bereits mehrere Anwälte engagiert, aber unter ihnen war keiner, dessen Ruf an jenen Brafmans heranreicht. Zwei Dinge verbindet viele der Klienten, die die Dienste des 69 Jahre alten New Yorkers schon in Anspruch genommen haben: Sie sind prominent. Und ihre Situation erscheint recht aussichtslos.

So war das zum Beispiel bei Dominique Strauss-Kahn gewesen, dem damaligen Chef des Internationalen Währungsfonds, der 2011 in New York festgenommen wurde, weil er in einem Luxushotel ein Zimmermädchen vergewaltigt haben soll. Brafman übernahm die Verteidigung des Franzosen, von dessen Schuld damals viele überzeugt waren, und es gelang ihm vor Gericht, das Zimmermädchen in Widersprüche zu verstricken. Das Verfahren endete damit, dass die Staatsanwaltschaft ihre Anklage fallen ließ.

Freispruch für den Rapper - trotz Waffe im Auto

Und so war es auch beim Rapper P. Diddy, der sich damals Puff Daddy nannte. Ende der 1990er-Jahre landete Sean Combs, so sein bürgerlicher Name, nach einer Schießerei mit Verletzten in einem Hip-Hop-Club vor Gericht. Für Combs sah es nicht gut aus, mehrere Zeugen bestätigten, den Rapper im Club mit einer Waffe in der Hand gesehen zu haben, und auch in dessen Auto hatte die Polizei in der Nacht des Vorfalls eine Waffe gefunden. Brafman erreichte für seinen Klienten einen Freispruch auf ganzer Linie.

Auch Michael Jackson hatte Brafman einst verteidigt, als der Popstar wegen Kindesmissbrauch angeklagt war. Mehrere Mafiabosse gehörten ebenfalls zu seinen Klienten, und ein anderer Rapper, Jay-Z, hat ihm im Stück "Welcome to New York" eine Zeile gewidmet, nachdem ihn Brafman davor bewahrte, wegen einer Messerstecherei ins Gefängnis zu müssen.

Die Gerichtsbilanz Brafmans war schon beeindruckend, bevor er sich als Anwalt selbständig machte: Nach einer ersten Anstellung bei einer großen Kanzlei in New York arbeitete er zwei Jahre für die Staatsanwaltschaft in Manhattan. Nur einen einzigen Fall soll er in dieser Zeit verloren haben.

In den Prozessen gegen seine Klienten versucht Brafman oft gar nicht erst, mit der Staatsanwaltschaft einen Deal im Vorfeld auszuhandeln, wie das unter amerikanischen Strafverteidigern üblich ist. Lieber sucht er den großen Auftritt vor Gericht, und dort: die Sympathie der Geschworenen. Er macht das, indem er sie zum Lachen bringt, mit Sprüchen über seine 165 Zentimeter Körpergröße etwa oder über die Provinz-Universität in Ohio, an der er einst studiert hatte. In seinen Jugendjahren, bei seinen Stand-up-Auftritten im Borschtsch-Gürtel, sei er gut angekommen, sagte er der Londoner Times: "Ich glaubte, ich würde eine ganz große Comedy-Nummer in der jüdischen Welt."

Am Sabbat arbeitet er nicht, da ist er konsequent

Seine Herkunft ist Brafman wichtig. Die Eltern waren Holocaust-Überlebende, viele Mitglieder seiner Familie, unter ihnen eine Großmutter, starben in den Konzentrationslagern der Nazis. In einem Vortrag erzählte Brafman einmal, wie sein Vater während der Reichspogromnacht eine Thora aus einer brennenden Synagoge in Wien rettete und diese später bis in die USA brachte. In New York wuchs Brafman in einem jüdisch-orthodoxen Viertel auf, und am Sabbat arbeitet der Anwalt auch heute konsequent nicht. Der New York Times sagte er einmal, dass ihn das Judentum gelehrt habe, niemanden vorschnell zu verurteilen. "Und das", sagte er, "ist für einen Strafverteidiger eine ziemlich gute Sache."

Mit gemachten Meinungen hat es Brafman auch bei seinem neuesten Klienten zu tun. Er werde seinen Mandanten "energisch verteidigen", kündigte Brafman an, als er im Herbst den Fall von Harvey Weinstein übernahm. In einem Interview mit der Times wurde am vergangenen Wochenende deutlich, was Brafman darunter versteht: "Wenn eine Frau beschließt, sie muss mit einem Hollywood-Produzenten Sex haben, um ihre Karriere voranzubringen, es dann auch tut und es widerwärtig findet, dann ist das keine Vergewaltigung", sagte er.

Es wird sich zeigen, ob solche Aussagen seinem Mandanten helfen. Die Liste der Vorwürfe gegen Weinstein ist auf jeden Fall lang, die Beweislage erscheint erdrückend. Ganz so, wie es Brafman mag.

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SZ vom 07.03.2018
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