Süddeutsche Zeitung

Urteil beim Landgericht Hamburg:"Das gesamte Tatbild ist einfach nur widerlich"

Lesezeit: 2 min

Drei Monate lang dauerte der Prozess vor dem Hamburger Landgericht. An diesem Dienstag fällte der Richter eine Entscheidung: Sechs Jahre lang soll der Angeklagte ins Gefängnis, wegen schwerer Vergewaltigung, vorsätzlicher Körperverletzung und Diebstahl.

Von der Tat selbst zeigte sich der Richter erschüttert. Der 29-Jährige war im Juli vergangenen Jahres durch die offene Balkontür in die Wohnung einer 82-jährigen Frau im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg eingedrungen. In der folgenden Stunde vergewaltigte der HIV-positive Mann die seh- und gehbehinderte Frau fünf Mal. Vor seiner anschließenden Flucht stahl er der Frau zudem noch 100 Euro. Zwei Tage später nahm die Polizei den Angeklagten fest.

Die 82-Jährige erlitt durch die Tat zahlreiche Verletzungen und musste sich zudem einer HIV-Vorsorge mit schweren Nebenwirkungen unterziehen. Der Vorsitzende Richter erklärte bei der Urteilsverkündung, die Tat habe bei allen Prozessbeteiligten Fassungslosigkeit und Entsetzten hervorgerufen. Die einstündige Vergewaltigung der Frau könne nur auf völliges Unverständnis stoßen. "Das gesamte Tatbild ist einfach widerlich." Die Frau traue sich seither kaum noch aus dem Haus zu gehen oder auch nur die Fenster zum Lüften zu öffnen, so der Richter. Sie leide unter Schlafstörungen.

Gericht versuchte auch den Geisteszustand des Angeklagten zu klären

Dass es sich bei dem Angeklagte zweifelfrei um den Täter handelt, stehe "aufgrund einer Vielzahl von unerschütterlichen Indizien fest", so der Richter bei der Urteilsverkündung. Demnach fanden die Ermittler nicht nur zahlreiche Speichel- und Spermaspuren, sondern auch das Handy des 29-Jährigen, das ihm bei der Tat aus der Hose gefallen war. Ein Geständnis legte der Mann nicht ab, er sprach von einem "Filmriss". Gleichzeitig erklärte er aber, den Angaben der Frau nicht widersprechen zu wollen. Damit habe er der 82-Jährigen eine detaillierte Befragung vor Gericht erspart, erklärte der Richter.

Dieser nannte zudem weitere Details zu dem Angeklagten: Um ihn sei es traurig bestellt. Als kleines Kind sei er nach Deutschland gekommen und ohne Mutter aufgewachsen. In seinem Leben habe er bislang "rein gar nichts Gutes oder Sinnvolles zustande gebracht". Einen Schulabschluss habe er nicht geschafft, eine Malerlehre abgebrochen. Im Folgenden sei er immer wieder durch Körperverletzungen, Raub, Betrug und Diebstahl aufgefallen. Erst kurz vor der letzten Tat war er aus dem Gefängnis auf Bewährung freigelassen worden. Die Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, mit der er einen sechsjährigen Sohn habe, sei gescheitert.

In dem Prozess hatte das Landgericht Hamburg auch versucht den Geisteszustand des Angeklagten von Gutachtern klären zu lassen. Das Ergebnis: Er habe eine erhebliche Intelligenzminderung, eine "dissoziale Persönlichkeitsstörung", sei marihuana- und kokainabhängig, Gelegenheitstrinker und seit 2014 an HIV erkrankt. Er sei aber weder geisteskrank noch hirngeschädigt, "was das Ganze besser erklärbar gemacht hätte", sagte der Vorsitzende Richter. Der 29-Jährige sei bei der Tat äußerst berechnend und umsichtig vorgegangen. Vor der ersten Vergewaltigung habe er der Frau noch das Asthmaspray gereicht, um das sie gebeten hatte. "Um es platt zu sagen: Der Angeklagte ist nicht krank, sondern einfach nur böse", so der Richter.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3924291
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/ankl/lalse
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.