Süddeutsche Zeitung

Tschetschiens Diktator Kadyrow:Politisch nicht korrekte Pferde

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Den Pferden in seinem Rennstall geht es glänzend, Regimegegner aber werden gefoltert: Wie die seltsame Tierliebe des tschetschenischen Präsidenten Kadyrow ihre Grenzen findet.

S. Zekri, Moskau

Pferd in Tschetschenien müsste man sein, was wäre das für ein Leben! Für die Tschetschenen ist das kein Trost. Im Reich Präsident Ramsan Kadyrows werden Menschen verschleppt, gefoltert, ermordet, oft Menschenrechtler wie Natalja Estemirowa. Kadyrows Vollblütern allerdings geht es glänzend.

20 bis 40 Pferde gehören zu Kadyrows Rennstall, heißt es. Bis vor kurzem logierten sie im Moskauer Hippodrom, aber dann hat der Präsident ihnen eine schöne Rennbahn in seiner Heimatstadt Gudermes gebaut mit Elektrowaage für die Jockeys, einer österreichischen Startanlage und Riesenleinwand. Der Präsident reite die Vollblüter nicht einmal, verriet sein Pferdetrainer, um sie zu schonen.

Vor großen Rennen kauft Kadyrow großzügig ein, in diesem Frühjahr gleich acht Pferde, fast alle in Amerika, pro Tier zwischen 300000 und 2,5 Millionen Dollar. In seiner Steuererklärung hatte Kadyrow als einzigen Besitz eine 36-Quadratmeterwohnung in Grosny und einen alten Lada angegeben. Aber die Pferde gehörten eigentlich ja ganz Tschetschenien, nicht ihm persönlich, sagte er.

Das sieht man außerhalb des Kaukasus anders. Im Juli stürzte Kadyrow das Royal Ascot in Verlegenheit, als er erklärte, er wolle dort seinen Hengst Bankable laufen lassen. Gewiss, die Pferde können nichts für den Ruf ihres Halters. Was weiß Bankable davon, dass die ermordete Journalistin Anna Politkowskaja Kadyrow "einen Stalin unserer Zeit" nannte? Aber sollte man ihnen und ihren Jockeys deshalb den Weg auf den historischen Ascot-Rasen ebnen?

Kurz vor dem Rennen war in Dubai Sulim Jamadajew ermordet worden, Feldkommandeur, Held Russlands, einstiger Gefährte und später erbitterter Gegner Kadyrows. Als Verdächtigen hatten die Behörden am Golf einen Stallknecht Kadyrows verhaftet. Zum Tatzeitpunkt lief der Dubai World Cup. Bankables Start in Ascot wurde schließlich still zurückgezogen.

Nun aber hat Australien den Schlamassel. Kadyrow möchte nämlich seinen Wallach Mourilyan, den er dem Aga Khan abgekauft hat, zum Melbourne Cup im November schicken und seinen Hengst Bankable zu den Mackinnon Stakes, einem anderen Rennen in Melbourne. "Können Sie sich vorstellen, wie der Generalgouverneur Quentin Brice den Melbourne Cup in die blutbefleckten Hände von Mr. Kadyrow übergibt? Allein der Gedanke daran lässt mich schaudern", sagte Bob Brown, der Chef der australischen Grünen. Er warnte vor einem "Tiefpunkt der australischen Sportgeschichte" und forderte, Kadyrow und seinen Pferden müsse die Einreise verwehrt werden. Nach Angabe des Außenministeriums hat Kadyrow zwar noch kein Visum beantragt, man könne sich aber ohnehin kaum vorstellen, dass er eines bekomme, sagte eine Ministeriumssprecherin dem Sydney Morning Herald. Aber was ist mit den Pferden? Die Tiere seien auf der ganzen Welt gelaufen, "warum sollten wir sie aufhalten?", fragte ein Sprecher des Rennens. Ja, warum?

Inzwischen ist sogar Mourilyans britischer Trainer Gary Moore ins Grübeln gekommen. Er habe Kadyrow nie getroffen und wisse nichts über ihn, aber jetzt habe er doch mal im Internet nachgesehen und was er fand, sei "gruselig" gewesen: "Die meisten Besitzer haben Hunde oder Katzen. Aber der Typ hält sich Löwen!" Unterdessen erklärte Kadyrows Pressedienst nach russischen Medienberichten, der Präsident habe nie eine Australienreise geplant. Er sei zu beschäftigt mit der Terroristenjagd.

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SZ vom 25.09.2009
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