Süddeutsche Zeitung

Lieblingsstrand:Warum Menschen Sand klauen (und was ihnen jetzt auf Sardinien droht)

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Ein französisches Urlaubspaar hat größere juristische Probleme wegen Sand-Diebstahls. Auf das Mitleid der Inselbewohner können sie schon mal nicht zählen.

von Martin Zips

Dass sich das französische Wort "Souvenir" als Bezeichnung diverser Erinnerungstrophäen durchgesetzt hat, kann kein Zufall sein. Offenbar ist sie in Frankreich besonders groß, die Sehnsucht nach Andenken wie Big Ben als Flaschenöffner, Lady Liberty als Schuhlöffel oder dem Petersdom als Schneekugel.

Ach, wenn es immer nur Nippes aus China wäre! Auf Sardinien hat sich gerade ein (französisches) Ehepaar von seinem Lieblingsstrand nahe Chia 40 Kilo Sand mitgenommen. Kleines Mitbringsel aus dem Urlaub offenbar. In der Warteschlange zur Fähre, die die beiden samt 14 mineralkorngefüllten Plastikflaschen im Geländewagen von Porto Torres nach Toulon hätte bringen sollen, wurde die Guardia di Finanza auf den Raub aufmerksam.

Nun drohen den Franzosen angeblich bis zu sechs Jahre Haft. Da die Sarden schon länger beobachten, wie Sand, Steine und Muscheln von ihren Traumstränden verschwinden und später im Internet gehandelt werden, hält sich ihr Mitleid in Grenzen. Selbst beim Diebstahl kleiner Mengen Sand droht auf Sardinien ein Bußgeld von bis zu 3000 Euro. Auf der griechischen Insel Skiathos mahnt sogar eine Strand-Steine-Rückgabe-Box noch am Flughafen zur Umkehr.

Doch der Drang des Menschen zur gegenständlichen Erinnerung ist uferlos. Bereits zur Römerzeit konnten am Golf von Neapel gravierte Glasflaschen mit dem Küstenpanorama erworben werden, und die fast 2000 Jahre alte Apostelgeschichte weiß von Silberschmieden in Ephesos zu berichten, die mit kleinen Artemis-Tempeln "nicht geringen Gewinn" machten. In Jerusalem sind mit Werkzeugen bewaffnete Pilger schon seit Jahrtausenden die Pest. Der Mensch liebt, um es mit Schlagerphilosoph Bill Ramsey zu sagen: "Souvenirs, Souvenirs einer großen Zeit", denn sie "sind die bunten Träume uns'rer Einsamkeit".

"Ich fühle mich schuldig"

Der Weg von der (legal erworbenen) Anstecknadel zum (illegalen) Sanddepot ist da oft nicht weit. Immerhin siegt da und dort noch die Vernunft: So soll Andrea Abis, Bürgermeister der sardischen Gemeinde Cabras, gerade von einem Mann aus Rom eine Flasche Sand erhalten haben. Der Römer erklärte, er habe das Gefäß einst als Kind im Urlaub gefüllt und möchte den Inhalt nun wieder zurückgeben.

Auch eine Frau, die sich - vor 29 Jahren - etwas Sediment von der italienischen Isola Budelli eingepackt hatte, hat dieses mittlerweile wieder zurückgeschickt: "Ich fühle mich schuldig", so schrieb sie.

Natürlich, eine gewisse Magie geht schon aus vom ein oder anderen Mitbringsel. Zum Beispiel von den vier Taxihupen, die sich der New Yorker Komponist George Gershwin einst in Paris besorgte. Er setzte sie - überaus gewinnbringend - in seinem Orchesterwerk "Ein Amerikaner in Paris" ein. Die Musikwelt freilich geht schon davon aus, dass Gershwin die Hupen ganz legal erwarb. Wahrscheinlich von einem Franzosen. Und der war bestimmt vertrauenswürdig.

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SZ vom 21.08.2019
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