Süddeutsche Zeitung

Stromboli:Tödlicher Freund

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Noch bevor die Rauchschwaden nach dem Ausbruch des Stromboli verzogen sind, geht das Leben auf der süditalienischen Insel weiter. Der Vulkan ist eben nicht nur Gefahr - sondern auch Geschäftsgrundlage.

Von Oliver Meiler, Rom

Mit der Schönheit der Natur, zumal mit der bewegten, ist es so eine Sache. Entfesselt sie ihre inneren Kräfte, kippt die Schönheit bald ins Tragische. Auch mal ganz plötzlich, ohne Ankündigung, wie das bei Vulkanen der Fall ist. Der Stromboli ist ausgebrochen. Mal wieder, möchte man sagen. Doch diesmal explodierte er mit einer Wucht und einem Knall, wie das nur fünf, sechs Mal in einem Jahrhundert vorkommt.

Zwei donnernde Explosionen und einige Minuten später stand eine Rauchsäule am blauen Himmel über den Äolischen Inseln, die an einen Atompilz erinnerte. Ein Wanderer aus Sizilien wurde von dem Gestein, das der Vulkan ausspie, erschlagen. Der 35-Jährige war auf erlaubten Pfaden Richtung Krater unterwegs. Sein Weggefährte, ein Brasilianer, wurde leicht verletzt.

Am Berg brachen stellenweise Brände aus, Pinien und Zitronenbäume standen in Flammen. Unten an den schwarzen Lavastränden von Stromboli, wo bereits die ersten Urlauber beim Sonnenbaden lagen, brach kurzzeitig Panik aus, einige von ihnen warfen sich ins Wasser. Dabei ist gerade das besonders gefährlich, weil Gestein, das ins Meer rutscht, einen Tsunami auslösen könnte.

Endzeitstimmung im Urlaubsparadies

Die Betuchten brachten ihre schönen Jachten in Sicherheit, die sie im Hafen der Insel postiert hatten. Am Abend nach dem Ausbruch waren einige Dutzend Touristen bereits abgereist. Die Atmosphäre hatte etwas von Endzeitstimmung.

Doch die Düsternis verzieht sich hier rasch, vor allem bei den Einheimischen. Wenn man ein bisschen herumtelefoniert auf der Insel, in den Bars und den Läden, erhält man immer dieselbe Antwort: "Alles in Ordnung, wir sind das gewohnt." Doch offen reden mögen die Menschen nicht - sie fürchten, es könne dabei ein verzerrtes Bild entstehen.

Die wunderschöne Natur auf Stromboli, sie mag böse sein. Sie mag Feuer und Rauch speien, Lavabrocken und -bröckchen, die sie hier Lapilli nennen. Sie mag sogar den Tod bringen. Aber die Natur ist auf der süditalienischen Insel eben auch Leben, göttliche Faszination und Geschäftsgrundlage.

So schlimm wird es schon nicht kommen

"Hand aufs Herz", schreibt der sizilianische Autor Francesco Merlo in der Repubblica, "wer denkt schon daran, dass der Vulkan einen umbringen könnte - dieser Freund, den wir lieben und respektieren, obschon wir um seine nervöse Schönheit wissen, diese knurrende Katze, die wir zu zähmen glauben." Merlo, das sollte man wissen, stammt aus Catania, der Stadt am Fuß des Ätna, der ebenso wie der Stromboli ständig aktiv ist.

Alle wissen um das Risiko, doch sie tragen es mit Fatalismus. Ganz so schlimm, sagt man sich in jenen "Zone rosse" Italiens, den seismischen und vulkanischen Gefahrenzonen, wird es schon nicht kommen. Und so wird weiter überall gebaut und gewohnt.

Man braucht jetzt nur Marco Giorgianni zuzuhören, dem Bürgermeister von Lipari, zu dessen Kompetenzbereich auch Stromboli gehört. "Das war ein größerer Ausbruch", sagte er im Fernsehen. Und - wohl aus Sorge um die Sommersaison - fügte er schnell hinzu: "Doch es ist alles unter Kontrolle, Seebeben gab es keine. Panikmache ist also völlig fehl am Platz." Wenigstens bis zum nächsten großen, vielleicht auch mal ganz großen Ausbruch.

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