Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Zwölf Tränen für 12000 Dollar

Die Sängerin Noah Cyrus hat die EP "Goodcry" veröffentlicht. Sie bietet nun zu PR-Zwecken persönlich herausgeweinte Tränen an. Nicht ganz billig.

Von Oliver Klasen

Das Weinen und die dabei entstehende, salzhaltige, mal in Tropfen, mal in Sturzbächen die Wangen hinabrinnende Flüssigkeit ist ein beliebtes Sujet der Popmusik. Von Bob Marley bis Guns 'n' Roses, alle haben die Abwesenheit von Tränen als Ideal besungen. Die heutige Generation ist smarter, sie lässt Tränen zu. Noah Cyrus etwa, die Schwester der bekannten US-Sängerin Miley Cyrus, hat eine EP veröffentlicht, "Goodcry" heißt sie. Tränen dienen hier nicht allein als Anschauungsmaterial für die Entstehung des Produktes, sie sind das Produkt selbst, beworben - wo sonst - auf Instagram.

12 000 US-Dollar kostet ein Fläschchen mit abgezählt zwölf, von der Künstlerin persönlich herausgeweinten Tropfen. In der Liste der teuersten Flüssigkeiten der Welt liegen Cyrus' Tränen weit vor Champagner oder Chanel No. 5. Eine Durchschnittsträne enthält 15 Milligramm Flüssigkeit. Noah Cyrus, erst 18, dürfte in ihrem Leben wohl noch mehr als drei Millionen Tränen vergießen, was einem Wert von drei Milliarden US-Dollar entspräche. Eine gute Geschäftsidee also, aber sie ließe sich verbessern. Forschern zufolge unterscheiden sich Tränen, die aus emotionaler Aufwallung entstehen, chemisch von jenen, die durch Zwiebelschneiden provoziert werden. Cyrus sollte also noch ein Laborzertifikat beilegen - aus Gründen der Authentizität.

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Quelle:
SZ vom 22.09.2018
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