Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Fringsen

Darf man stehlen? Nein, sagt das siebte Gebot. Aber manche Geistliche sind klüger als Gebote. Ein Lob auf außergewöhnliche Heldentaten, aus denen sogar eigene Wortschöpfungen entstanden sind.

Von Martin Zips

Darf man stehlen? Nein, sagt das siebte Gebot. Doch, sagte einst der Kölner Erzbischof Josef Kardinal Frings. Zumindest dann, wenn der Mensch das Lebensnotwendige nicht "durch seine Arbeit oder Bitten" erlangen kann. Als er das sagte, es war das Jahr 1946, lag nicht nur Köln in Schutt und Asche. Mit der Predigt bekam der Kohle- und Lebensmittelklau in Notlagen seinen kirchlichen Segen und ein eigenes Verb: "fringsen". Der heutige Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki sagt: Fringsen geht noch immer voll in Ordnung. Zumindest im Notfall. (Sehr gut, Woelki! Alles andere wäre ja pharisäern.) Fringsen, formal ist das so ein Wort wie röntgen, pasteurisieren oder einwecken, wie beckmessern, guillotinieren oder galvanisieren. Ein Deonym, also ein aus einem Namen gebildetes Konstrukt. Wulffen, merkeln, riestern, hartzen, trumpen - heute gibt es derart viel davon, dass es fast schon dieselt. Sehr wahrscheinlich übrigens, dass uns das ständige Zuckerbergen bald so veralzheimert, dass wir uns irgendwann alle gegenseitig kalaschnikowisieren. Dann wäre bald wieder fringsen angesagt.

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Quelle:
SZ vom 13.12.2016
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