Süddeutsche Zeitung

Stilkritik:Hände raus, wenn du im Bild bist!

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Die Mutter eines japanischen Regierungsberaters möchte ihrem Sohn seine Hosentaschen zunähen, damit er nicht immer die Hände reinsteckt. Eine fürchterliche Drohung.

Glosse von Martin Zips

Zum eidgenössischen Jodlerfest im Kanton Wallis ging der Schweizer Rundfunk jüngst der Frage nach, warum männliche Jodler beim Konzert immer ihre Hände im "Hosensack" haben.

Das ist eine brillante Frage. Auch deshalb, weil auf der anderen Seite der Welt gerade ein Video für Kontroversen sorgt, das einen hochrangigen Berater des japanischen Premierministers mit den Händen in den Hosentaschen zeigt. Am Rande eines Treffens mit US-Präsident Joe Biden. Die Mutter von Seiji Kihara, so heißt der Mann, soll dem 52-Jährigen anschließend damit gedroht haben, sie werde ihm die Taschen zunähen, so peinlich sei ihr der Vorfall. Der Sohn entschuldigte sich.

Was das Abtauchen der Hände in den "Hosensack" angeht, offenbarte die Schweizer Jodel-Recherche übrigens drei Möglichkeiten der Erklärung: Bessere Konzentration auf die Stimme, optische Einheitlichkeit der Gruppe sowie das Unsichtbarmachen der von landwirtschaftlicher Arbeit geschundenen Extremitäten. In der internationalen Politik kommt noch der Aspekt "Waffenverzicht" hinzu, welcher sich ja ebenfalls durch ein bis zwei erhobene Hände betonen lässt. Wer sich, wie einige westliche Politiker, Musiker oder Medienschaffende, noch eine Art Restgeheimnis bewahren möchte, der steckt immer nur eine Hand in die Tasche - und wedelt mit der anderen herum.

Vor diesem Hintergrund muss man die Mutter von Seiji Kihara für ihre verbalen Nadelstiche leider rügen. Würde sie in der Erziehung ihres Kindes (die mit 52 Jahren freilich nicht abgeschlossen ist) weniger Wert auf Konformismus und mehr auf Individualismus und händische Freiheiten legen - so könnte aus ihrem Bub vielleicht noch ein Intellektueller, Künstler oder Philosoph werden. Er ist: Berater.

Aber gut. Beim Schweizer Jodlerverband kommt er immer noch unter.

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