Süddeutsche Zeitung

Smartphone-Pistole:Waffenfreunde sind entzückt, alle anderen empört

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Auf der Hauptversammlung der US-Waffenlobby wird eine Handfeuerwaffe präsentiert, die wie ein Smartphone aussieht. Und das keine drei Monate nach dem letzten großen Massaker an einer Schule.

Von Max Sprick

Was, wenn eine Frau beim Joggen in der Natur auf einen Mann trifft, der maskiert im Gebüsch lauert? Mit diesem düsteren Szenario spielt die Anzeige des Waffenherstellers, der sein umstrittenes Mini-Modell an diesem Freitag bei der Hauptversammlung der National Rifle Association (NRA) im texanischen Dallas präsentiert. Die Antwort ist demnach eine Handfeuerwaffe im Smartphone-Format, die die Joggerin in der Tasche ihrer knappen pinken Sporthose mit sich trägt. Und mit der sie den potenziellen Angreifer in die Flucht schlagen wird. So verspricht es zumindest die Werbung.

"Leicht, stark, und einfacher zu verstecken als jedes andere Modell auf dem Markt", heißt es dort weiter. Die "Ideal Conceal" ist zusammengeklappt nicht als das erkennbar, was sie ist: eine echte Pistole mit echter Munition. Der Prototyp wurde schon vor zwei Jahren vorgestellt, nun folgt der Auftritt bei der alljährlichen großen NRA-Show. Eine "großartige Möglichkeit zur Selbstverteidigung mit maximaler Tarnung", sei die "Ideal Conceal", schreibt die Lobbyorganisation auf ihrer Homepage.

Die Idee, Waffen als Alltagsgegenstände zu tarnen, ist nicht neu. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden "Pen Guns" erfunden, Pistolen in Stift-Form, deren Spionage-Anmutung Waffenfans aber nicht darüber hinwegtröstete, dass sich nur ein einziger Schuss abfeuern ließ. Das Modell floppte.

Mit der Smartphone-Pistole sind nun zwei Schuss möglich. Was bei den Waffenfreunden Entzücken auslöst, sorgt andernorts für Empörung. Das Schulmassaker in Parkland, bei dem ein 19-Jähriger an seiner ehemaligen Schule 14 Schüler und drei Erwachsene tötete, liegt keine drei Monate zurück. Erst vor wenigen Wochen kamen Hunderttausende vor dem Kapitol zusammen, um für schärfere Waffengesetze in den USA zu demonstrieren. Waffen würden zunehmend verharmlost, Amerika arbeite unermüdlich daran, seinen Bürgern das Töten zu erleichtern und Pistolen im Stil eines Smartphones seien außerdem leichter in waffenfreie Veranstaltungen zu schmuggeln, so der Tenor der Kritiker.

Wenn es normal wird, auf Menschen zu schießen

Einen weiteren Aspekt spricht Jaclyn Corin an, die das Parkland-Massaker überlebt hat und sich seitdem gegen die NRA und für strengere Waffengesetze einsetzt: Wenn Waffen immer unscheinbarer werden, können Polizisten immer schlechter unterscheiden, wer nun bewaffnet ist und wer nicht. "Noch mehr Menschen werden durch diese Erfindung zum Ziel von Strafverfolgern" twittert Corin, "Insbesondere dunkelhäutige Menschen." Sie spielt mit ihrem Tweet auf die unzähligen Fälle an, in denen in den USA Menschen erschossen wurden, weil Polizisten dachten, sie zögen eine Waffe. Corin schreibt weiter: "Die NRA wirbt weiterhin mit menschlichen Figuren als Zielen und setzt die Normalität durch, auf andere Menschen zu schießen."

Wenig überraschend wirbt der Hersteller der Smartphone-Waffe ganz ähnlich. Nicht nur mit der Joggerin, sondern auch mit gewaltverherrlichenden Memes auf seiner Facebook-Seite. Noch ist die Smartphone-Waffe nicht erhältlich, ihre Produktion habe aber begonnen, erklärte ihr Erfinder Kirk Kjellberg Anfang diesen Jahres auf einer Waffenausstellung. Bevor die Waffe in Läden komme, müsse er die vielen Vorbestellungen für die 500 Dollar teure Waffe abarbeiten. Mehr als 12 000 Stück seien bei ihm eingegangen, behauptet er. Nach der Präsentation auf der NRA-Versammlung dürften es noch mehr werden.

Das gleiche könnte danach für eine andere erschreckende Zahl gelten: In den vergangenen 50 Jahren sind in den USA mehr Menschen durch Schusswaffen getötet worden, als Amerikaner in allen Kriegen der US-Geschichte zusammen.

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