Süddeutsche Zeitung

Britischer Humor:Oh my Goodness!

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Nach 24 Jahren kehrt die Puppen-Satire "Spitting Image" ins britische Fernsehen zurück. Die ersten Entwürfe künftiger Protagonisten verheißen Großartiges.

Von Martin Zips

Er möchte den Menschen nicht mit "unverschämten und hässlichen" Puppen in Erinnerung bleiben, sagte der britische Künstler Roger Law einmal. Lieber mit "ansprechender und schöner" chinesischer Kunst. Das könnte jetzt schwierig werden. Denn nun sind es wieder seine unverschämten und hässlichen Puppen, die den 78-Jährigen Porzellan-Liebhaber aus Norfolk zurück ins Rampenlicht gebracht haben.

Die satirische Puppenshow "Spitting Image" (auf Deutsch etwa: "Wie aus dem Gesicht geschnitten") war von 1984 bis 1996 ein Quotenhit im britischen Fernsehsender ITV. Eine Premierministerin (Margaret Thatcher), die sich permanent den Bart rasierte und das Herren-Urinal benutzte, ein (schon damals) sexsüchtiger Prinz Andrew, ein sowjetischer Präsident (Michail Gorbatschow), auf dessen Stirn Hammer und Sichel als Feuermal prangten, und ein Papst (Johannes Paul II.), der mit Banjo und texanischem Akzent Frauen betörte, das gab es nur hier.

Königin Mutter mit Säuferstimme und stets einer Flasche Gin in der Hand, ihre Tochter, die Queen, beim Wühlen in der Mülltonne (auf der Suche nach neuer Kleidung) und ein Bewohner der weniger bekannten Nummer 9 Downing Street, der an Adolf Hitler erinnerte, das war derart unterhaltsam, dass sich auch Deutschland, Österreich, Iran, Indien sowie 32 weitere Länder mit ähnlichen Puppenshows an ihren Stars versuchten. Nur eben nicht unbedingt mit einem dauerpupsenden Medienmogul Murdoch oder einem Arnold Schwarzenegger, der sich um die Größe seiner Genitalien sorgte. Das war dann doch zu britisch.

Im Herbst nun kehrt das Original der Cambridge-Absolventen Roger Law und Peter Fluck mit neuen Figuren zurück: Als erste Eigenproduktion des Streamingdienstes BritBox UK. Roger Law, der zwischenzeitlich in Australien und in China als Künstler arbeitete und dort wirklich reizende aber schrecklich harmlose Porzellan-Vasen schuf, hat sein Puppenarchiv mittlerweile seiner ehemaligen Universität vermacht - samt all den Robert Mugabes, Saddam Husseins und Muammar al-Gaddafis. Als Executive Producer der Neuauflage wolle er lediglich seine karge Rente aufstocken, erklärte er lapidar.

In Großbritannien nennt man "Spitting Image" nicht ganz zu Unrecht: "Nationalheiligtum". Auch die Sänger Sting und Phil Collins haben mit den vielfach ausgezeichneten Fratzen schon gearbeitet. Kurz nach dem 11. September 2001 ließ Roger Law bei Sotheby's unter anderem eine Puppe von Osama bin Laden versteigern - der Erlös ging an Opfer des Terrors in den USA und Afghanistan.

Die nun vorgestellten Entwürfe verheißen Großartiges: Harry und Meghan erinnern an Maus und Monster in "Der Grüffelo", Mark Zuckerberg glotzt recht psychopathisch, und Wladimir Putin wirkt wie eine Mischung aus Hobbit, Houdini und Christian Grey. Besonders bestechend aber sind Donald und Melania Trump, deren Puppen von Ernest Shepards Wiesel-und-Kröterich-Illustrationen im Kinderbuchklassiker "Der Wind in den Weiden" inspiriert wirken. Da kann man doch nur hoffen, dass nicht etwa Joe Biden die kommende US-Wahl gewinnt.

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