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Katholische Kirche:Gericht lehnt Berufung von Kardinal Pell ab

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Der ehemalige Finanzchef des Vatikans, der australische Kardinal George Pell, muss wegen Missbrauchs von zwei minderjährigen Chorknaben im Gefängnis bleiben. Das Berufungsgericht des australischen Staats Victoria in Melbourne lehnte die Berufung Pells am Mittwoch mit zwei Stimmen zu einer Stimme ab und bestätigte damit die Verurteilung aus erster Instanz.

Pell war im März einstimmig schuldig gesprochen worden, im Dezember 1996 zwei Chorjungen in einer Kathedrale vor mehr als zwei Jahrzehnten sexuell missbraucht zu haben. Nach Ansicht der Jury hat er unter anderem einen 13-Jährigen oral vergewaltigt und ihn und dessen Freund unsittlich berührt. Er wurde zu sechs Jahren Haft verurteilt. Der 78-Jährige sitzt seit im März im Gefängnis. Nach dem Richterspruch muss er mindestens drei Jahre und acht Monate seiner Strafe verbüßen, ehe ein Antrag auf Bewährung möglich ist.

Zum Tatzeitpunkt war er seit einigen Monaten Erzbischof von Melbourne, Australiens zweitgrößter Stadt. Pell ist der bisher ranghöchste katholische Geistliche, gegen den Vorwürfe des Kindesmissbrauchs erhoben wurden. Er war ein enger Berater von Papst Franziskus und Präfekt des Wirtschaftssekretariats der Römischen Kurie - so sein offizieller Titel als Finanzchef. Dadurch war er praktisch die Nummer drei des Vatikans.

Der Vater eines der beiden Missbrauchsopfer war bei dem Gerichtstermin am Mittwoch anwesend. Pell hatte auf einen Freispruch gehofft. Bei der Urteilsverkündung zeigte er keine Gefühle, senkte kurz darauf jedoch den Kopf. In einer schriftlichen Stellungnahme ließ der Kardinal anschließend erklären, er sei "offensichtlich enttäuscht". Zugleich bekräftigte er, dass er unschuldig sei.

Der Fall ist in Australien und darüber hinaus umstritten. Pells Fürsprecher behaupten, dass der prominente Kardinal zum Sündenbock für die Missbrauchsskandale der katholischen Kirche insgesamt gemacht werden solle. Ein erster Prozess in Australien war geplatzt, weil sich die Geschworenen nicht einigen konnten. Die Vorsitzende Richterin des Supreme Court, Anne Ferguson, wies am Mittwoch jedoch Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Hauptbelastungszeugen zurück.

Sie und der Präsident des Berufungsgerichts, Chris Maxwell hätten die Ansicht der Staatsanwaltschaft akzeptiert, "dass der Kläger ein sehr stringenter Zeuge war, eindeutig kein Lügner, kein Fantast und ein Zeuge der Wahrheit", erklärte Ferguson. Der abweichende Richter Mark Weinberg habe nicht ausschließen können, dass einige Aussagen des Klägers "zusammengebraut" gewesen seien.

Nach dem Urteil wurde Pell von Polizeibeamten abgeführt. Der Vatikan erklärte, man wolle auf das letztinstanzliche Urteil in dem Fall warten. Der Kardinal habe während des Gerichtsverfahrens stets seine Unschuld beteuert, erklärte Vatikan-Sprecher Matteo Bruni am Mittwoch. Es sei Pells Recht, auch noch das höchste australische Gericht, den High Court, anzurufen. Pell und seine Anwälte ließen am Mittwoch noch offen, ob sie davon auch Gebrauch machen werden.

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