Süddeutsche Zeitung

70 Jahre Parkuhr:Die Zeit läuft

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Im Jahr 1954 wurden in Duisburg die ersten Parkuhren in Deutschland aufgestellt. Heute sind sie zwar schon lange wieder abgebaut, aber das Konzept ist geblieben. Über tickende Geräte, die einen ganz schön unter Druck setzen können.

Von Martin Zips

"Parkographen verhindern Dauerparken", schrieb im Jahr 1954 eine Duisburger Zeitung. Sollte das, was am Bürgersteig der Straße "Am Buchenbaum" begann, wirklich bald in ganz Deutschland Karriere machen? Der Protest der Duisburger gegen ihre "Groschengräber" auf Säulen war am Anfang kaum zu überhören.

In diesen Tagen feiert die Parkuhr ihren 70. Geburtstag. Die ersten 20 Exemplare waren einst nahe einer beliebten Duisburger Einkaufsstraße aufgestellt worden, in Europa hatten zuvor nur die Städte Basel und Stockholm ähnliche Dinge eingeführt. Die Idee zu den Geräten hatte der US-Unternehmer Roger Babson bereits in den 1920er-Jahren gehabt. Allerdings wollte er seine Maschinen noch über Strom betreiben, den er sich über ein Kabel von der Batterie der vor ihnen parkenden Fahrzeuge abzwackte. Für die Serienproduktion besser geeignet war jenes mechanische Modell, welches sich der US-Rechtsanwalt und Zeitungsverleger Carl Magee später patentieren ließ. Von Oklahoma City aus trat es ab Juli 1935 seinen Siegeszug um die Welt an.

Ein Leben voller Countdowns

Wobei man sagen muss, dass einem im Leben ja schon jener Countdown völlig reicht, den die Brüder Grimm in ihrem Haus- und Kindermärchen "Der Gevatter Tod" als "Lebenslicht" beschreiben. Demnach gibt es für jeden Erdbewohner exakt eine Lebenskerze, deren genaue Länge allerdings nur dem Gevatter bekannt ist. Ja, es gibt noch Dinge, die existenzieller sind, als die Befolgung ansonsten sinnvoller kommunaler Parkregeln. Der gerade wegen seines 100. Geburtstags zu Recht gefeierte belgische Comic-Künstler André Franquin (1924-1997) erfand mal so eine Art "Gevatter 2.0": den Verkehrspolizisten Knüsel nämlich, der in den Gaston-Comics ständig darauf wartet, dass endlich wieder irgendwo eine Parkuhr abläuft und er sein Knöllchen unter den Scheibenwischer klemmen darf. Ja, solche Typen gibt es.

Aber man sollte sich von ihnen nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wie einst bei der Parkuhr (wegen ihrer anfälligen Mechanik wurde sie nach der Einführung des Euro in Deutschland endgültig durch den Parkautomaten ersetzt) springt einem ja ständig irgendwo ein Alarmhinweis entgegen. Mal darf dieses oder jenes nicht, dann piepst das Handy, es ruft die Konferenz und auf der Außenseite der Straßenbahn wird gedrängt: "Abfahrt in zwei Minuten!" Hier eine Abgabefrist, da eine Erinnerungsmail und wehe, das Kind kommt wieder zu spät zum Unterricht. Nein, an Countdowns mangelt es dieser Tage wirklich nicht.

In den Gaston-Comics wird die Sache übrigens so gelöst: Der heitere Held verwandelt mit ein paar Handgriffen Parkuhren in Bonbon-Automaten oder lässt Efeu über sie wachsen, damit Vögel auf ihnen nisten können. Knüsel bringt das an den Rand des Nervenzusammenbruchs. Aber ist es nicht eigentlich eher fortschrittlich? Noch eine Idee: Statt den Elektro-SUVs auf öffentlichen Parkplätzen immer nur Strom anzubieten, da hatte der Parkuhr-Erfinder Babson vielleicht recht, könnte man ihnen doch auch mal etwas abzwacken. Zum Beispiel für die nächtliche Beleuchtung einer öffentlichen Bushaltestelle. Nur so eine Idee.

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