Süddeutsche Zeitung

Open-Air:Eine Kirche an der Anhängerkupplung

Lesezeit: 2 min

Ein Pfarrer aus Heinsberg in NRW will mit einem mobilen Gotteshaus auf Reisen gehen.

Interview von Moritz Geier

Die Kirche ist drei Meter achtzig lang und zwei Meter breit. Sebastian Walde hat sie offiziell eingeweiht am Sonntag, er ist der Pfarrer der evangelischen Gemeinde von Heinsberg, einer Stadt im tiefen Westen zwischen Mönchengladbach und Aachen, die nun einen rollenden Sakralbau besitzt, genauer: einen zur Kirche ausgebauten Anhänger. Die Idee hatte er schon länger, sagt Walde, 48, und als der Inhaber eines lokalen Messebauunternehmens zu ihm gesagt habe, er "möchte etwas Soziales machen" zum 50. Firmenjubiläum, da wusste der Pfarrer schon, was die Firma für die Gemeinde bauen könnte.

SZ: Herr Walde, ein Anhänger als Gotteshaus: Früher wäre das ja Blasphemie gewesen.

Sebastian Walde: Stimmt! Aber als evangelischer Pfarrer kann man sich ja was trauen, vor allem jetzt zum Reformationsjahr. Übrigens hat sich die Sorge, dass manche Menschen der mobilen Kirche mit einem Stirnrunzeln begegnen könnten, nicht bestätigt. Das Feedback ist sensationell.

Es gibt also auch in einem Autoanhänger so etwas wie eine sakrale Atmosphäre?

Sicher. Es ist wie eine Art Zauberwürfel: Man macht diese Klappe auf, guckt rein und denkt sich: Boah. Wahnsinn!

Von außen sieht es ja nicht gerade danach aus.

Nun, außen haben wir eine Betonoptik. Aber es kleben Sterne auf der Außenwand und ein Spruch, der auch auf der Tür unserer Gemeindekirche steht. Und zur Seite kann man die Türen aufklappen und einen Kirchturm hochschieben.

Pardon, einen Kirchturm?

Ja, es handelt sich um eine Vorrichtung aus Lamellen und einem Kreuz. Damit man von Weitem sehen kann, das hier ist eine Kirche und kein Wurstwagen.

Verstehe.

Auch im Anhänger ist es wirklich schick. Es gibt ein beleuchtetes Kreuz und einen mobilen Altar aus einer Glasscheibe und zwei Pappkarton-Würfel, um Gewicht zu sparen. Dann öffnet man die Klappe nach vorne, ein bisschen wie bei einem Verkaufswagen, nur dass man von außen keine Theke sieht, sondern den Pfarrer. Die Gottesdienstgäste sitzen vor dem Anhänger.

Man sollte also Stühle mitbringen?

Nein, die transportiere ich, und nicht nur das: Wichtig ist mir auch die Kaffeemaschine. Geschirr muss eingepackt sein, auch Spielsachen, damit man alles hat, um einen Gottesdienst oder ein kleines Straßenfest zu feiern. Darum geht es doch.

Um Straßenfeste?

Darum, Menschen zusammenzubringen. Wir wollen Treffen ermöglichen. Insgesamt aber zielt die Idee der mobilen Kirche in drei Richtungen ...

Vor allem ältere Gemeindemitglieder dürften sich freuen, wenn die Kirche direkt vor ihr Haus rollt.

Klar. Unsere Gemeinde ist weitläufig, wir haben nicht in jedem Ortsteil eine Kirche. Zweitens können auch Vereine und Privatleute anfragen, wenn sie ein Fest mit einem Gottesdienst eröffnen wollen.

Und drittens?

Wir wollen Open-Air-Gottesdienste anbieten. Unsere bisherigen haben viel Zuspruch erfahren, Erntedank haben wir auf einem Bauernhof gefeiert. Und eines habe ich mir schon immer gewünscht ...

Was denn?

Einen Strandgottesdienst. Meine Idee: Wir packen die ganze Gemeinde in einen Bus, kuppeln hinten den Hänger dran und fahren nach Holland ans Meer.

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Quelle:
SZ vom 07.12.2016
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