Süddeutsche Zeitung

Krawalle in Den Haag:Sirenen, Schreie, Explosionen

Lesezeit: 1 min

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Zum Schlafen kommen die Einwohner des Haager Stadtteils Schilderswijk derzeit kaum. Die Hitze ist schuld, aber vor allem der Lärm: Sirenen, Schreie, Explosionen, und bis in den Morgen kreisen Polizeihubschrauber über dem Viertel.

Seit vier Tagen kommt es in der niederländischen Stadt zu schweren Randalen, Plünderungen, Zerstörungen, auch in der Nacht zu Freitag wieder, als etwa 200 Personen festgenommen wurden. Viele hatten sich am frühen Abend auf einem Platz versammelt, Feuerwerkskörper gezündet und Steine auf die Sicherheitskräfte geworfen. Laut Bürgermeister Jozias van Aartsen blieb die Lage nur beherrschbar, weil Freiwillige aus dem Viertel potenzielle Gewalttäter frühzeitig zur Ordnung riefen.

Fünf Polizisten wegen Tod von Festgenommenem suspendiert

Die Ausschreitungen richten sich gegen die Polizei, die für den Tod eines Mannes aus der Karibik verantwortlich gemacht wird, und sie haben eine Intensität erreicht, die nun auch die Regierung auf den Plan ruft: Der Vandalismus und die Angriffe auf Polizisten seien traurig und völlig unhaltbar, sagte Premier Mark Rutte. Damit müsse sofort Schluss sein.

Die Polizei hatte am vergangenen Wochenende auf einem Musikfestival in Den Haag einen 42 Jahre alten Mann aus Aruba (Niederländische Antillen) festgenommen, der nur kurz zu Gast bei seiner Familie war. Sie warf ihm vor, eine Waffe zu tragen, was aber ebenso wenig stimmte wie eine erste Erklärung der Polizei, Mitch Henriquez sei "unwohl geworden" nach der Festnahme. Einen Tag später starb er im Krankenhaus, "sehr wahrscheinlich" als Folge einer Erstickung, wie die Staatsanwaltschaft ermittelt hat. Fünf beteiligte Polizisten wurden vorläufig vom Dienst suspendiert.

Einwohner klagen über Krawalltouristen

Die falsche Aussage der Polizei und ein Video von der Festnahme rüttelten Aktivisten auf, die den Beamten Rassismus und Diskriminierung von Einwanderern vorwerfen. Das betrifft vor allem Schilderswijk, wo überwiegend farbige Niederländer wohnen, weshalb sich hier die Proteste abspielen.

Im Netz forderte ein Komitee den Rücktritt von Polizeichef und Bürgermeister. Zudem müsse jeder Fall von Polizeibrutalität unabhängig untersucht werden. Organisiert wurden die Proteste zum Teil von Aktivisten aus Amsterdam, die auch zu Demonstrationen in anderen Städten aufriefen. Viele Einwohner von Schilderswijk klagen über "Krawalltouristen".

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SZ vom 04.07.2015
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