Süddeutsche Zeitung

Neue Initiative von Muslimen:Ansprechpartner im Namen Allahs

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Von Matthias Drobinski, München

Eigentlich, sagt Abdul-Ahmad Rashid, ist es noch zu früh für dieses Gespräch. "Nach zwei Treffen große Visionen, das geht nicht", sagt der ZDF-Journalist, den man in einer Drehpause erwischt. Es gebe jetzt halt eine Plattform für Muslime mit Spaß an der Debatte. Der palästinensisch-israelische Psychologe, Autor und Islamismus-Experte Ahmad Mansour aus Berlin habe die Idee gehabt, die Konrad-Adenauer-Stiftung habe mit ihrer Infrastruktur geholfen, so gebe es jetzt das "Muslimische Forum Deutschland", das an diesem Donnerstag der Öffentlichkeit vorgestellt wird. Und er, Rashid, sei halt der kommissarische Sprecher.

Man kann das so sehen, man kann aber auch sagen: Das "Muslimische Forum" zeigt, dass der Islam nicht nur Probleme für Deutschland bereithält. Sechs Frauen und neun Männer haben als Erste die Gründungserklärung des Forums unterzeichnet, zu ihnen gehören die Islamwissenschaftlerin, Religionspädagogin und Autorin Lamya Kaddor und Mouhanad Khorchide, der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster, dazu islamische Theologen, Wissenschaftler, Pädagogen, Journalisten. Sie sind Endzwanziger und Mittvierziger, Sunniten, Schiiten, Aleviten, sogar ein libanesischer Christ und eine Jesidin machen mit. "Beste islamische Vielfalt", sagt Rashid. Traditionellen Muslimen würde die Mischung jedoch Bauchschmerzen bereiten.

Das Forum zeigt auch, wie sehr sich die junge Elite des muslimischen Deutschland geändert hat. Die ersten Migranten und Zuwandererkinder studierten Maschinenbau oder Medizin, Berufe, die man überall auf der Welt ausüben kann. Die Unterzeichner hingegen entstammen der ersten Generation muslimischer Intellektueller, die Deutschland und seine Gesellschaft deuten und mitgestalten wollen. Die islamischen Verbände mit ihrer eher konservativen Theologie oder ihrer immer noch engen Bindung an die Türkei sind ihnen fremd. Dabei sehen sich die meisten Unterzeichner durchaus als religiös, einige eher skeptisch, andere dezidiert fromm - nur wollen sie eben ihren eigenen Weg finden.

"Die Mehrheit der Muslime ist unterrepräsentiert"

"Wir gründen keine Moscheen, wir rollen keine Gebetsteppiche aus", sagt Lamya Kaddor, "wir wollen den Islam gesprächsfähig machen." "Wir sind Menschen, die sich als Bürgerinnen und Bürger Deutschlands und zugleich als Muslime sehen", schreiben sie in ihrer Gründungserklärung. Man wolle den "humanistisch orientierten Muslimen" eine Stimme verleihen, die in den Verbänden keinen Platz hätten. Das Forum trete gegen jede Form von Intoleranz, Diskriminierung und Menschenverachtung ein, gegen "antimuslimische, antisemitische, rassistische, deutschenfeindliche und homophobe Stereotypen". Und man wolle "der Politik einen weiteren Ansprechpartner anbieten, der die unartikulierten Positionen von Muslimen in Deutschland wiedergibt."

Nun repräsentiert das Forum mit seinen Professoren und Intellektuellen ebenfalls nur eine Minderheit der Muslime - die bestehenden Verbände, die sich im Koordinationsrat der Muslime zusammengeschlossen haben, sollen dennoch nicht erfreut sein über die Gründung. Sie befürchten, in die demokratiefeindliche Ecke gestellt zu werden. Sie befürchten noch mehr, künftig das knappe Gut der politischen Kontakte und der öffentlichen Aufmerksamkeit mit den Neuen teilen zu müssen. "Da gib es Sorgen", sagt Rashid, "dabei wollen wir gar keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung sein: Wir können Debatten führen und anstoßen, die die Verbände gar nicht anstoßen können."

Auch dass das Muslimische Forum Deutschland mit Hilfe der Konrad-Adenauer-Stiftung gegründet wurde, stößt auf Kritik: Mischt sich da nicht die Politik zu sehr in religiöse Angelegenheiten ein? Oder will die CDU-nahe Stiftung jene Muslime sammeln und vereinnahmen, die ihnen ins Bild passen? Keinesfalls, sagt Petra Bahr, die bei der Stiftung die Hauptabteilung Politik und Beratung leitet und erst kürzlich von der Evangelischen Kirche in Deutschland auf den Posten gewechselt ist. Auf die Frage, welcher Islam zu Deutschland gehören soll, dürften aber nicht nur die offiziellen Islamverbände antworten oder die, die keine Muslime sind. "Außerdem ist uns wichtig, dass aus der Kritik an religiösen Strömungen kein religionsfeindliches Klima in Deutschland wird", sagt sie.

"Eigentlich bräuchten die Muslime eine eigene unabhängige Stiftung", sagt Lamya Kaddor. Die Adenauer-Stiftung war wichtig, sagt Rashid, "aber jetzt müssen wir selber laufen". Wohin? Sein Traum sei ja, irgendwann einen großen Muslimtag zu veranstalten, sagt Rashid, ähnlich den Kirchen- und Katholikentagen - "gerne mit den Verbänden".

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SZ vom 23.04.2015
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