Süddeutsche Zeitung

Nachruf:Steinreich

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Zum Tode von Gary Dahl, der mit einer einzigen, aber kuriosen Idee berühmt geworden ist.

Von Roman Deininger

Spät im Leben hat der Werbefachmann Gary Dahl ein Buch geschrieben, es heißt "Advertising for Dummies". Eine der ersten Lektionen darin ist, dass man keine Zeit auf den Versuch verschwenden solle, Eis an Eskimos zu verkaufen. Dabei darf man ruhig davon ausgehen, dass das bloß eine mittlere Fingerübung gewesen wäre für Dahl - für jenen Mann, der eineinhalb Millionen Amerikanern tatsächlich einen Stein als Haustier andrehte.

Im Sommer 1975 war Gary Ross Dahl ein freiberuflicher Werbetexter in Kalifornien, in anderen Worten, so hat er das selbst mal übersetzt: er war "bankrott". An Weihnachten 1975 war Dahl Millionär. Seine Geschichte beweist das amerikanische, zumal das kalifornische Versprechen, dass eine einzige Idee genügen kann, um reich zu werden. Dass diese Idee ruhig an einer Bar geboren werden darf nach ein paar Bier zu viel, und dass sie - gemessen an der Elle des gesunden Menschenverstands - nicht mal gut sein muss. Doch die Menschen, die hatte Dahl eben schon verstanden.

Das Bargespräch, das sein Leben verändern sollte, kreiste um allzu zuwendungsbedürftige Hunde, Katzen und Hamster. Da empfahl der semiberufliche Witzbold Dahl seinen Freunden, es doch mal mit der wesentlich pflegeleichteren Gattung Stein zu versuchen. Und dann versuchte er es selber mit ihr: Er fuhr in den Baumarkt und kaufte eine Ladung großer, glatter mexikanischer Kiesel. Stückpreis: 1 Cent. Er packte je einen Stein auf etwas Stroh in eine Tragebox aus Karton, die er mit Atemlöchern versah. Dazu legte er ein Handbuch zu Haltung und Fütterung des "Pet Rock". Verkaufspreis: 3 Dollar 95.

1975 hatten dann ziemlich viele Amerikaner einen neuen besten Freund unter dem Weihnachtsbaum. Dem Handbuch entnahmen sie, dass er verlässlich auf die Befehle "Sitz!" und "Bleib!" höre, bei "Komm!" und "Rolle!" aber ein wenig Hilfe benötige. Der "Pet Rock" war so etwas wie eine vorauseilende Parodie auf das virtuelle Küken "Tamagotchi", das zwei Jahrzehnte später von Japan aus epidemisch übers Land kam.

Gary Dahl hat drei Mal geheiratet, einen Saloon eröffnet, mit Segelbooten gehandelt und eine tragbare "Sand-Zucht-Anlage" auf den Markt gebracht - für die "eigene Wüstenlandschaft" daheim. Es vergehe kein Tag, hat Dahl einmal erzählt, an dem er nicht belagert werde von aufgeregten Dummies, die wissen wollen, was denn bitte das nächste ganz große Ding sein werde. Die Sand-Zucht-Anlage ist es dann übrigens nicht geworden.

Nun ist Gary Dahl, der mit einem einzigen ganz großen Ding steinreich geworden ist, im Alter von 78 Jahren gestorben.

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Quelle:
SZ vom 02.04.2015
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