Süddeutsche Zeitung

Erdbeben von L'Aquila:Seismologen in zweiter Instanz freigesprochen

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Mehr als fünf Jahre nach dem schweren Erdbeben von L'Aquila, bei dem mehr als 300 Menschen starben und Hunderttausende obdachlos wurden, ist in einem Revisionsprozess eine Gruppe Experten freigesprochen worden. Ein Berufungsgericht in der mittelitalienischen Stadt entschied nach Berichten der Nachrichtenagentur Ansa, dass keine Straftat vorliege.

Lediglich einer der sieben Angeklagten wurde wegen weiterer Vorwürfe zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Das Urteil in zweiter Instanz ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Nach dem Beben waren die Experten im Oktober 2012 wegen ungenauer Vorhersagen zu je sechs Jahren Haft verurteilt worden. Das Urteil hatte in der Fachwelt Empörung ausgelöst. Den sechs Seismologen und einem Beamten des Katastrophenschutzes war vorgeworfen worden, nicht ausreichend vor dem schweren Beben gewarnt zu haben. Sie sollen die Bevölkerung um L'Aquila nur "ungenau, unvollständig und widersprüchlich" über die Gefahren eines Bebens informiert haben.

"Schande, Schande"

Die Menschen in L'Aquila reagierten entsetzt auf das neue Urteil, einige von ihnen verfolgten die Verkündung im Gerichtssaal und schrien "Schande, Schande", berichtete Ansa. Er habe sich eine deutliche Neubeurteilung der Strafen vorgestellt, "aber keinen solchen kompletten Freispruch", sagte der Generalstaatsanwalt Romolo Como.

Die Anklagebehörde hatte im ersten Prozess eine Haftstrafe von vier Jahren gefordert. Der Anwalt der Nebenklage, Attilio Cecchini sagte: "Dieses Urteil überrascht uns und ist ein Erdbeben im Erdbeben." Er werde in jedem Fall dagegen vorgehen. Dann müsste sich als letzte Instanz der Kassationsgerichtshof in Rom mit dem Fall befassen.

Das Erdbeben von L'Aquila 2009

Bei der Naturkatastrophe vor fünf Jahren waren am 6. April in der Region rund um L'Aquila mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen und Zehntausende obdachlos geworden. Die Verurteilung in erster Instanz war von zahlreichen Experten scharf kritisiert worden. Auch die Angeklagten hatten sich stets als unschuldig bezeichnet.

Erdbebenforscher hatten ebenfalls darauf hingewiesen, das es kaum möglich sei, größere Beben wissenschaftlich vorherzusagen. Kritiker warnten damals, das Urteil könne weltweit Auswirkungen haben, weil Wissenschaftler Angst haben müssten, sich öffentlich zu äußern.

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