Süddeutsche Zeitung

Musiker Slash:"Zigaretten, Alkohol und eine Gitarre"

Lesezeit: 6 min

Slash, Ex-Gitarrist der Rockband Guns N' Roses, über den Streit mit Axl Rose, Kindererziehung und plötzliche Stromschläge von innen.

Tanja Rest

12.55 Uhr Ortszeit Los Angeles, 21.55 Uhr in München. Nach allem, was man in seinem Buch gelesen hat ("Slash. Die Autobiographie", Rockbuch Verlag) ist es sehr, sehr unwahrscheinlich, dass der Mann gleich anrufen wird. Bevor er sich 1996 mit dem Sänger Axl Rose verkrachte, alles hinwarf und die Band Velvet Revolver gründete, hat es Slash - bürgerlicher Name: Saul Hudson - als Gitarrist der Rockband Guns N' Roses zu Weltruhm gebracht. Vor allem aber hat er das mit dem Sex and Drugs and Rock 'n' Roll ein bisschen zu wörtlich genommen. Wüste Exzesse! 22 Uhr, das Telefon klingelt. Pünktlich, auf die Minute. Seine Stimme ist freundlich, gelassen und stocknüchtern. Slash, 43, ist in seinem neuen Leben offenbar gut angekommen.

SZ: Ein Buch zu schreiben ist eine seltsame Beschäftigung für einen Rockstar. Wer hat Sie überredet?

Slash: Das ist das Verrückte. So viele Jahre lang haben mich die Leute immer wieder gefragt: Hey Slash, warum schreibst du eigentlich kein Buch? Aber ich wollte nicht, dass es aussieht, als würde ich mich zu wichtig nehmen. Ich wollte nicht, dass es aussieht wie das Ende meiner Karriere. Kennen Sie "Hammer of the Gods"?

SZ: Das Led-Zeppelin-Buch?

Slash: Dieser Autor hat mich dazu gebracht, nie wieder ein Rock 'n' Roll-Buch zu lesen. Bis er eins über uns geschrieben hat. Lauter Bullshit. Ganz zu schweigen von dem Bullshit über uns im Internet. Und da dachte ich, höchste Zeit, dass mal jemand die Wahrheit schreibt.

SZ: Was genau ist der Bullshit?

Slash: Ach, das Übliche. Die Sache mit mir und Axl, warum ich damals ausgestiegen bin und so weiter. Unwahrheiten, so montiert, dass es nach einer spannenden Geschichte klingt. Aber wenn einer diese Geschichte hören will, dann doch von einem Mitglied der Guns! Also habe ich das Buch geschrieben, und es war harte Arbeit. Wir waren mit Velvet Revolver auf Tour; nach den Konzerten saß ich immer noch bis drei Uhr morgens da...

SZ: Haben Sie Mut gebraucht, um zurückzuschauen?

Slash: Mut nicht. Es war anstrengend, sich an alles zu erinnern. Ich hab den basic shit da reingeschrieben, aber nichts, was peinlich wäre. Was wird passieren, wenn die Kinder das lesen? Also hab ich da nichts reingeschrieben, was meine Kinder nicht lesen dürften.

SZ: Ihr voller Ernst?

Slash: Ja. Warum auch nicht?

SZ: Äh, naja... Auf 400 von 500 Seiten sind Sie vollgepumpt mit Heroin.

Slash: Okay, sagen wir: Die Kinder dürfen das lesen - eines Tages.

SZ: Wenn Ihr Ältester eines Tages nach Hause kommt und diese kleinen Heroinpupillen hat: Was machen Sie?

Slash: Ich beschäftige mich damit, wenn es soweit ist. Bis dahin werden wir wohl die eine oder andere Unterhaltung über das Thema führen müssen. Außerdem wachsen die Kids ja mit meiner Frau und mir auf - zwei der verrücktesten Menschen, die ich kenne! Mum und Dad können sie nichts vormachen.

SZ: Reden wir über Axl.

Slash: Schießen Sie los.

SZ: Wie lange haben Sie beide nicht mehr miteinander gesprochen?

Slash: Müssten jetzt zwölf Jahre sein.

SZ: Sie sind sich kein einziges Mal über den Weg gelaufen?

Slash: Nein, und das ist verrückt, weil wir ja beide in L.A. leben. Und ich quatsche mit allen anderen hier in der Stadt.

SZ: Was, wenn es doch mal passiert?

Slash: Ich hab nicht die leiseste Ahnung.

SZ: Im Buch sind Sie erstaunlich nett zu Axl...

Slash: Es hat ein bisschen Disziplin gekostet. Wir hatten ja immer unsere Differenzen. Als sich Axl dann die Rechte am Namen Guns N' Roses gesichert hat und wir alle plötzlich nur noch Mitglieder in seiner Band waren, war für mich Schluss. Angst, Ärger, Bitterkeit: Das alles gab und gibt es. Aber das ist nicht die ganze Geschichte, verstehen Sie? Ich wollte fair und ehrlich sein und das Buch nicht zum Vorwand nehmen, meinen persönlichen Frust rauszulassen.

SZ: Als Metallica so schwer zerstritten waren, haben sie einen Band-Therapeuten engagiert. Das wäre doch auch was für Guns N' Roses gewesen.

Slash: Sie haben sogar einen Film darüber gemacht. Ich bin ein Riesenfan von Metallica. Aber ich will die Jungs nicht so sehen.

SZ: Sie fanden das peinlich?

Slash: Ich finde, so etwas gehört nicht in die Öffentlichkeit. Das ist nicht Rock 'n' Roll! Ich jedenfalls konnte mich nie dazu bringen, den Film anzuschauen.

SZ: Sie schreiben, die Band sei lange Zeit die einzige Familie gewesen, die Sie kannten. Ganz schön sentimental.

Slash: Wir waren eine sehr, sehr enge Gang. Elf Jahre lang waren das die Leute, die mir am nächsten standen. Die ich jeden Tag gesehen habe.

SZ: Wie läuft es ohne die Familie?

Slash: Bestens. Ich bin immer noch mit allen befreundet - mit Ausnahme von einem. Klar, ich habe nach meinem Ausstieg Höhen und Tiefen mitgemacht. Aber das war eine gute Erfahrung, weil ich am Ende erwachsen geworden bin. Und zwar ohne den Schutzschild der "größten Rockband der Welt".

SZ: Für viele Leute sind Sie aber bis heute nicht der Gitarrist von Velvet Revolver, sondern immer noch der Ex-Gitarrist von Guns N' Roses. Nervt das?

Slash: Nein. Warum auch? Ich würde ja alles wieder genauso machen.

SZ: Ihre Standardantwort auf die Standardfrage, ob die Band jemals wieder in der alten Besetzung spielen wird?

Slash: Wissen Sie was, ich weiß es nicht. Es könnte morgen der Fall sein oder in sechs Monaten oder in sechs Jahren. Abwarten, was in den Karten steht.

SZ: Das klingt aus Ihrem Mund jetzt aber beinahe optimistisch.

Slash: Wenn es passieren soll, wird es passieren.

SZ: Als der Erfolg da war, hatten Sie 15 Millionen Dollar auf dem Konto und keine Ahnung, was Sie damit anstellen sollten. Ich frage mich...

Slash: Ich kann mich nicht erinnern, jemals 15 Millionen Dollar auf der Bank gehabt zu haben.

SZ: Das steht in Ihrem Buch.

Slash: In der deutschen Ausgabe? Muss ein Übersetzungsfehler sein.

SZ: Ach, kommen Sie!

Slash: Alles was ich jemals gebraucht habe, waren Zigaretten, Alkohol und eine Gitarre. Axl und ich haben eine Weile in unserem Probenraum gewohnt, weil wir kein Apartment hatten, und wir hatten eine coole Zeit. Ich lebe und atme Rock 'n' Roll, es ging mir nie ums große Geld. Als ich dann doch Geld hatte, dachte ich: Okay, Slash, jetzt wirst du dir wohl ein Haus kaufen müssen. Also hab ich mir ein Haus gekauft. Und da saß ich dann, und mir war so langweilig, dass ich mir noch ein Auto dazugekauft habe. Hat es mir was bedeutet? Nein.

SZ: Worum also ging es Ihnen?

Slash: Auf der Bühne zu stehen war alles, was ich wollte. Wir waren jahrelang auf Tour, haben mit Metallica gespielt, mit Motörhead, den Stones. Und dann hieß es plötzlich: Die Tour ist vorbei, nun geht mal schön nach Hause und macht, was normale Leute so machen. Aber was machen normale Leute? Keine Ahnung!

SZ: Wegen schwerer Herzprobleme bekamen Sie mit 35 einen Defibrillator implantiert. Leben Sie gut damit?

Slash: Zu viele Drogen, nicht wahr? Aber es ist keine große Sache. Der Apparat ist mir zur Sicherheit eingesetzt worden, damit ich nicht draufgehe, wenn mein Herz mal wieder aussetzt. Zunächst war er allerdings nicht auf die Herzschlagfrequenz eingestellt, die ich auf der Bühne kriege. Ich habe vergessen, den Ärzten zu sagen, dass mein Herz auf der Bühne verrückt spielt.

SZ: Was passierte?

Slash: Wir spielten vor ausverkauftem Haus, und ich bekam elektrische Schläge von innen. Ich wusste erst überhaupt nicht, was los ist. Es war bizarr. Ich habe das Ding dann nachstellen lassen, und jetzt funktioniert es, kein Problem.

SZ: Sie sind zurzeit clean?

Slash: Ja.

SZ: Keine Begegnungen mit Ihrem alten Kumpel Jackie Daniels?

Slash: Jack und ich haben seit zehn Jahren nicht mehr miteinander gesprochen.

SZ: Wird dieses sagenumwobene Album "Chinese Democracy", das Axl Rose seit Jahren ankündigt, denn nun irgendwann erscheinen?

Slash: Ich glaube, es dauert nicht mehr lange.

SZ: Schon was gehört daraus?

Slash: Jemand hat mir eine CD mit neun Songs aus dem Internet gebrannt. Es ist ziemlich gut! Das zu hören war sehr... kathartisch für mich. Es ist keine Guns N' Roses-Platte, sondern ganz und gar das Album, das Axl machen wollte. Sehr persönlich, eine Art Standortbestimmung. Ich war irgendwie erleichtert, dass es ihm endlich gelungen ist, das alles auszudrücken. Gleichzeitig konnte ich mir das Material in Ruhe anhören, aus einer gesunden Distanz. Ich habe verstanden, wo er immer hinwollte. Ich habe auch verstanden, dass die alten Guns dieses Album niemals hätten machen können. Trotzdem ist es brillant.

SZ: Wäre auf diesem Album Platz für eine Slash-Gitarre?

Slash: Die Frage stellt sich nicht. Es ist ein perfektes Statement von Axl. Ohne mich, ohne uns.

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SZ vom 18.09.2008/grc
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