Süddeutsche Zeitung

Mord an schwarzem Jugendlichen:US-Gericht verurteilt weißen Todesschützen

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Entscheidung nach fünfstündiger Beratung

Ein Gericht im US-Bundesstaat Florida hat einen weißen Amerikaner verurteilt, weil er einen unbewaffneten schwarzen Teenager nach einem Streit über zu laute Musik erschossen hatte. Eine Geschworenenjury in Jacksonville kam nach fünfstündiger Beratung zu der Entscheidung, dass der Software-Ingenieur sich nicht auf Notwehr berufen könne. Die Geschworenen sprachen Michael Dunn, 47, des Mordes schuldig.

Dunn habe bei der Urteilverkündigung keinerlei Regung gezeigt, hieß es. Wie der lokale TV-Sender WJXT weiter berichtete, droht dem Verurteilten lebenslange Haft - das Strafmaß wird aber erst später verkündet. Es war der zweite Anlauf des Gerichts - in einem ersten Prozess wurden sich die Geschworenen auch nach 30-stündigen Beratungen in der Mordsache nicht einig.

Davis wird von drei Kugel getroffen

Der Tod des 17-jährigen Jordan Davis im November 2012 hatte in den USA für Aufsehen gesorgt. Rassismus-Vorwürfe wurden diskutiert - und das in Florida sehr weit gefasste Recht auf Notwehr.

Michael Dunn war mit seiner Freundin auf einen Parkplatz gefahren, um in einem Geschäft eine Flasche Wein zu kaufen. Aus einem Auto in der Nähe, in dem vier junge Leute saßen, kam laute Musik. Dunn sprach von "Thug Music" - Gangster-Musik. Es kam zum Streit. Dunn fühlte sich angeblich bedroht und schoss - nach den Ermittlungen auch dann noch, als das Auto davonraste.

Dunn hatte ausgesagt, er habe sich bedroht gefühlt und in Notwehr gehandelt. Nach Angaben der Polizei waren die Teenager aber unbewaffnet. Die drei Freunde des Toten sagten aus, sie hätten Dunn nicht bedroht. Insgesamt schoss der 47-Jährige der Polizei zufolge zehn Mal auf ihren Wagen - der 17-jährige Jordan Davis wurde von drei Kugeln tödlich getroffen.

Schwere Vorwürfe gegen Angeklagten

Die Waffe, die Dunn bei Davis gesehen haben will, wurde niemals gefunden. Später wurde bekannt, das Dunn nach den Schüssen mit seiner Freundin in ein Hotel fuhr und sich dort eine Pizza bestellte. Die Meldung vom Tod des Jungen las er abends auf seinem Handy - die Polizei informierte er nicht.

Kurz vor dem Urteil erhob Staatsanwältin Erin Wolfson schwere Vorwürfe gegen Dunn: "Er hat nicht auf die Reifen geschossen (...) Er hat geschossen, um zu töten. Er zielte auf Jordan Davis."

Kritik an Zusammensetzung der Jury

Kritiker hatten die Zusammensetzung der Jury in Jacksonville bemängelt und mögliche Milde gegenüber dem weißen Angeklagten befürchtet: Die Jury bestand aus zehn Weißen und lediglich zwei Schwarzen.

Tatsächlich war es bei einem ersten Anlauf des Gerichts nicht zu einer Entscheidung über die Mordanklage gekommen. Die Jury hatte Dunn zwar wegen dreifachen versuchten Mordes schuldig gesprochen. Allein für diese Taten wird er wohl den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen. Im Hauptanklagepunkt Mord kam die Jury aber im ersten Prozess auch nach 30 Stunden Beratung nicht auf einen Nenner.

Umstrittenes Recht auf Notwehr

Erneut spielte in dem Prozess das in Florida besonders weit gefasst Recht auf Notwehr eine Rolle. Das umstrittene Gesetz heißt "Stand Your ground", frei übersetzt "nicht zurückweichen". Demnach müssen Bedrohte nicht eine Deeskalation suchen, sondern dürfen zur Waffe greifen.

Ebenfalls 2012 hatte George Zimmermann, ein Latino und Mitglied einer freiwilligen Bürgerwehr, ebenfalls in Florida den unbewaffneten schwarzen Teenager Trayvon Martin erschossen, den er verfolgt hatte. Dennoch berief Zimmermann sich später auf Notwehr - und wurde freigesprochen.

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