Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Mitten in...":Auf die Mütze

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In Cisano ist ein Verstoß gegen das Abstandsgebot nicht das schlimmste Vergehen, in München gestaltet sich die Zimmersuche schwierig, und in Karlsruhe werfen neue Lampen Licht auf alte Zeiten.

Mitten in... Cisano

Sommerferien in Italien zu Corona-Zeiten. Die Einheimischen nehmen die Bekämpfung des Virus verständlicherweise ernst, der Barmann zum Beispiel schickt jeden aus der Warteschlange weg, der keine Maske trägt, und Ellbogen auf dem Tresen werden sofort moniert. Einmal Aperol Spritz mit viel Abstand, bitte! Auch der Besuch der Campingplatz-Poollandschaft ist reglementiert, im Wasser dürfen sich nur 240 Leute aufhalten. Aber selbst italienischen Bademeistern fällt es schwer, den Überblick über das Kommen und Gehen zu behalten. Es herrscht ameisenhaftes Gewusel, Gedränge an den Rutschen, Schwimmflügel-Allerlei im Babybecken. Plötzlich zerreißt ein Pfiff das Stimmengewirr. Ein Bademeister gestikuliert wild in Richtung einer Elterntraube. Ahndung eines Sicherheitsabstandsvergehens? Denkste! Verstoß gegen die heilige Badekappenpflicht. Nadeschda Scharfenberg

Mitten in... München

Schon bei der Buchung der Unterkunft für das Praktikum in München war da so ein komisches Gefühl. Die Plattform hat nicht den besten Ruf, man hörte von heimlich installierten Kameras, aber gut, was sind schon Gerüchte. Es war etwas anderes, das mich zweifeln ließ, dieser Satz: "Als Start-up haben wir ein paar der Zimmer in diesem Haus übernommen und saniert, um sie unseren Gästen kostengünstig anzubieten." Saniert, kostengünstig - klingt verdächtig, aber gut, der Preis war doch zu verlockend. Und nun bin ich im Industriegebiet gelandet und schleppe meinen Koffer ratlos die Straße hoch und runter. Es regnet, nein, es schüttet. Das da hinten müsste das Haus sein. Ich nähere mich. Das ist doch nicht... ein Puff!? Puh, falsche Hausnummer. Wenig später, einmal um die Kurve, bin ich am Ziel, in einem hippen Hotel. Mit Ringstraßen ist das so ein Ding. Cristina Marina

Mitten in... Karlsruhe

Der erste Eindruck, als wir das Lampengeschäft betreten: Im Internet machte das mehr her. Dann entdecken wir das Schild: Räumungsverkauf, 60 Prozent Rabatt. Das Design ist meist schlicht und schön, wir greifen mehrfach zu. Schade, dass der Laden dicht macht. Warum eigentlich? Die beiden Männer, die ein wenig unbeholfen den Verkauf abwickeln, erzählen, der Inhaber - ihr Bruder - sei plötzlich gestorben. Herzinfarkt. Früher hat er als Angestellter Lampen verkauft, aber der eigene Laden, das war sein Lebenstraum. Nun leisten die beiden, ein Bankangestellter und ein Drucker, diesen letzten Dienst, so gut sie es eben können. Vom Laden seiner Träume wird kaum etwas bleiben, dort werden künftig Kaffeevollautomaten verkauft. Wir freuen uns über die neuen Lampen. Und sie werden uns an den Mann erinnern, den wir nicht kannten. Wolfgang Janisch

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