Süddeutsche Zeitung

Kriminalstatistik:Sexuelle Gewalt gegen Kinder nimmt zu

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In Deutschland werden jeden Tag durchschnittlich 43 Kinder Opfer von sexueller Gewalt. Immer öfter sind sie aber auch Täter.

Im vergangenen Jahr hat die sexuelle Gewalt gegen Kinder zugenommen. Das geht aus einer Auswertung der Polizeilichen Kriminalstatistik zu kindlichen Gewaltopfern hervor, die das Bundeskriminalamt (BKA) am Montag in Berlin vorgestellt hat. Die Polizei zählte bundesweit einen Anstieg um neun Prozent auf 15 936 (2018: 14 606) Fälle. Das bedeutet, dass 2019 jeden Tag durchschnittlich 43 Kinder Opfer von sexueller Gewalt wurden. Außerdem ermittelte die Polizei im vergangenen Jahr in 12 262 Fällen (2018: 7449) wegen kinderpornografischer Delikte. Das entspricht einem Anstieg um fast 65 Prozent.

Die Zahlen sind in den vergangenen Jahren stetig angestiegen, im Vergleich zu 2016 haben sie sich mehr als verdoppelt. Die hohe Zahl bedeutet nach Angaben des Bundeskriminalamts indes nicht zwangsläufig einen Zuwachs an Vergehen. Vielmehr gebe es inzwischen deutlich mehr Hinweise, etwa von einer Organisation in den USA, die vermisste Kinder auffinden und Missbrauch aufdecken will.

Minderjährige sind in diesem Bereich allerdings nicht nur Opfer, sondern manchmal auch Täter. Immer häufiger würden Fälle bekannt, bei denen Jugendliche kinderpornografische Videos über Messenger-Dienste wie Whatsapp tauschten, allerdings oft nicht aus pädosexuellen Motiven, sondern ohne sich offenbar ausreichende Gedanken über den kinderpornografischen Charakter der geteilten Dateien und die strafrechtlichen Folgen zu machen. Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, sieht "ein erhebliches Risiko" für sexuelle Übergriffe durch andere Kinder und Jugendliche.

Im vergangenen Jahr wurden 112 Kinder vorsätzlich oder fahrlässig getötet oder sind in Folge von Körperverletzung gestorben. Im Jahr zuvor waren es 136 Kinder. 93 Kinder waren 2019 unter sechs Jahre alt. Zudem gab es danach 4055 Fälle von Kindesmisshandlung (2018: 4129).

Durch die Corona-Krise gehen derzeit nicht mehr Hinweise auf Gewalt und Missbrauch in der Familie ein, gab das Bundeskriminalamt bekannt. Diese Daten seien jedoch mit äußerster Vorsicht zu interpretieren, erklärte BKA-Chef Holger Münch. Das Dunkelfeld sei groß und die Auflagen in der Corona-Pandemie könnten dazu beitragen, dass familiäre Konflikte eskalierten. Es sei möglich, dass die Corona-Auflagen zu einer Zunahme von Gewalt führten, die die Polizei derzeit aber nicht beobachten könne.

Es sei wichtig, dass die Menschen im Umfeld von Kindern trotz physischer Distanz aufmerksam blieben und sich bei einem Verdacht an die Behörden wendeten, sagte Münch. "Auch sexueller Missbrauch ist eine Pandemie, eine Pandemie mit dramatischem Ausmaß", sagte der Missbrauchsbeauftragte Rörig. Er sei in Sorge, dass der Kampf gegen Missbrauch und der Kinderschutz jetzt auf der politischen Prioritätenliste weiter nach unten rutschen werde. Er appellierte an Politik und Gesellschaft, den Kampf gegen sexuellen Missbrauch und Kinderpornografie nicht herunterzufahren, sondern zu verstärken.

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