Süddeutsche Zeitung

Köln:Messerstecher ist vermutlich schuldunfähig

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Es ist gegen 10.45 Uhr, als zwei Bedienstete der Kölner Stadtkämmerei - ein 47-jähriger Mann und seine 57-jährige Kollegin - an einem Haus im rechtsrheinischen Stadtteil Dünnwald klingeln. Die beiden sind bei der Vollstreckungsabteilung tätig, das heißt sie sind dafür zuständig, offene Geldforderungen der Stadt einzutreiben. Nicht bezahlte Gebühren, offene Steuerzahlungen, solche Sachen. Ein Job, bei dem es potenziell auch mal unangenehm werden kann - je nachdem, wie die säumigen Zahler auf den Besuch reagieren.

Doch an diesem Freitagvormittag ereignet sich eine Bluttat, die die ganze Stadt erschüttern wird. Sofort nachdem der Bewohner die Tür geöffnet hat, sticht er auf den Stadt-Mitarbeiter ein. Der Mann bricht zusammen. Seine Kollegin schafft es noch, Hilfe zu holen. Sie bleibt äußerlich unverletzt, erleidet nach der Tat aber einen schweren Schock und muss ins Krankenhaus gebracht werden.

Das 47-jährige Opfer wird vom rasch eintreffenden Notarzt versorgt, kann aber nicht gerettet werden. Es stirbt noch am Tatort.

Der mutmaßliche Täter, ein 60-Jähriger, wird von der Polizei festgenommen. Eine Mordkommission beginnt mit den Ermittlungen - und im Laufe des Tages werden immer mehr Details bekannt, die helfen, die Tat einzuordnen. Die Polizei gibt in einer Presseerklärung bekannt, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, "dass der Beschuldigte an einer schweren psychischen Erkrankung leidet und zum Zeitpunkt der Tat schuldunfähig war". Die Staatsanwaltschaft werde daher am Samstag keinen Haftbefehl, sondern die Unterbringung des Mannes in einer psychiatrischen Einrichtung beantragen.

Außerdem bestätigt die Polizei Medienberichte, denen zufolge es an derselben Adresse im März schon einmal einen ähnlichen Vorfall gegeben hat. Damals hatte ein Mann eine städtische Mitarbeiterin mit einem Schraubenzieher angegriffen und leicht verletzt. Bei dem damaligen Täter soll es sich ebenfalls um den jetzt festgenommenen Mann handeln.

Der Fall löste umgehend eine Diskussion über eine Verrohung der Gesellschaft und Angriffe auf Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes aus. "Dass einer unserer Kollegen im Einsatz für unsere Stadt durch einen Angriff sein Leben verloren hat, macht mich zutiefst betroffen und erfüllt mich mit großer Trauer", sagte die parteilose Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die vor vier Jahren selbst Opfer eines Messerangriffs wurde. Reker sicherte den Mitarbeitern der Kämmerei psychologische Unterstützung zu. Sie seien alle bestürzt und niedergeschmettert, die Stadt wolle alles dafür tun, dass sie sich wieder sicher fühlen können.

"Ich glaube, wir brauchen in unserer Gesellschaft dringend eine Debatte über Respekt gegenüber Amtsträgern", sagte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU). Die zunehmende Gewalt gegenüber Menschen, die im Auftrag der Allgemeinheit unterwegs sind, bereite ihm Sorge.

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