Süddeutsche Zeitung

Indien:Säure-Opfer gibt Schmink-Tutorial

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Die junge Inderin ist hübsch, ihre Stimme fröhlich und ihr Youtube-Clip hell ausgeleuchtet. Sie gibt - in Zeiten von "Bibis Beauty Palace" & Co. wenig verwunderlich - Ratschläge für ein gelungenes Make-up: Lippenbalsam auftragen, einen Lipliner verwenden und dann mit einem intensiven Rot ausmalen.

Das Besondere an dem Tutorial: Das Gesicht der 18-jährigen Reshma Quereshi ist schwer vernarbt. Im vergangenen Jahr schüttete ihr ein Mann Säure ins Gesicht. Das Video schließt deshalb mit ihrer eindringlichen Warnung: "Einen Lippenstift in diesem Rot findet ihr leicht im Supermarkt - genau wie hochkonzentrierte Säuren." Dann weist sie die Zuschauer auf eine Petition an den Premierminister hin: Die Regulierung von Giftstoffen soll in dem Land endlich besser umgesetzt werden.

Schwefelsäure aus dem Supermarkt

2014 gab es der indischen Regierung zufolge 309 Säureattacken - fast fünfmal mehr als 2013. Zwischen 2012 und 2014 ist die Anzahl der Säureangriffe sogar um 250 Prozent gestiegen. Die Angriffe in Indien lösen seit Jahren international Empörung aus. Doch trotz Absichtserklärungen der Politik tut sich wenig. Die Flüssigkeiten, oft als Toilettenreiniger im Verkauf, stehen in vielen indischen Supermärkten im Regal. Die Verbrauchssteuer auf Schwefelsäure zum Beispiel beträgt nur 12,5 Prozent - bei Zigaretten sind es 70 Prozent, heißt es in der Petition.

Quereshi sagte dem Wall Street Journal, dass innerhalb von zwei Tagen mehr als 1000 Unterschriften zusammengekommen seien; bei 25 000 Unterschriften wolle sie sich an die Regierung wenden. Bei der Aktion wird Quereshi, die in Indiens wichtigster Hafenstadt Mumbai lebt, von der NGO "Make Love Not Scars" unterstützt.

Es geht nicht um Mitleid - sondern um Einsicht

"Make Love Not Scars" wurde von der 22-jährigen Ria Sharma gegründet. Das Ziel: betroffenen Frauen zu helfen, etwa mit medizinischer Versorgung. Mit ihrer Hilfe sammelte auch Quereshi Spenden für eine Operation. Dem Crowdfunding-Aufruf waren 140 Menschen gefolgt.

Insgesamt sind bei der Zusammenarbeit drei Make-up-Tutorials entstanden. Die Menschen sollten Säureopfer wegen ihres Äußeren nicht stigmatisieren, erklärt Sharma dem Wall Street Journal. Bei den Videos gehe es ihnen nicht um Mitleid, sondern um Einsicht.

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