Süddeutsche Zeitung

Unfall auf A66:Mordvorwurf nicht haltbar

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Zwei Lamborghinis und ein Porsche rasen über die A66, es kommt zu einem Unfall, eine Frau stirbt. Ein Mord - so der Verdacht der Staatsanwaltschaft. Nun kam ein Sachverständiger zu einer Neubewertung.

Von Matthias Drobinski, Frankfurt

Wende nach dem mutmaßlichen Autorennen mit Todesopfer auf der A66: Ermittler haben den Mordvorwurf gegen die Fahrer von drei Sportwagen fallen gelassen. Die zwei Verhafteten sind aus der Untersuchungshaft entlassen; beide hätten einen festen Wohnsitz, es bestehe keine Fluchtgefahr, sagte Nadja Niesen, die Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft. Nach dem dritten Fahrer aber werde nach wie vor gefahndet.

Den Ausschlag für die Neubewertung habe die Expertise eines Sachverständigen und die Auswertung eines Zeugenvideos gegeben, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Danach sei der Vorwurf, die drei Sportwagenfahrer hätten den Tod von Unbeteiligten billigend in Kauf genommen, nicht mehr zu halten gewesen. Ermittelt werde gegen sie aber weiterhin, unter anderem, weil sie ein illegales Rennen gefahren sein könnten.

Eine kurze Videosequenz, hunderttausendfach angesehen im Netz, hatte bisher die mediale Berichterstattung bestimmt. Sie legt den Verdacht nahe, dass sich an jenem 10. Oktober drei Fahrer hochmotorisierter Sportwagen auf der vollen Autobahn 66 zwischen Frankfurt und Wiesbaden ein illegales Rennen geliefert haben. Ein illegales Rennen mit tödlichem Ausgang.

Ein schwarzer Lamborghini, dahinter ein türkisblauer Porsche, rechts daneben ein weißer Lamborghini. Motoren brüllen. Der weiße Lamborghini zieht nach rechts und beschleunigt. Schnitt. Stau. Eine schwarze Rauchsäule.

Denn auf der Höhe von Hofheim am Taunus verlor der Lenker des schwarzen Lamborghinis bei geschätzt 200 Stundenkilometern die Kontrolle über den Wagen, prallte von der Leitplanke ab und gegen einen Škoda. Beide Wagen gerieten in Brand, der Fahrer des Lamborghinis konnte sich verletzt retten. Die 71-jährige Fahrerin des Škoda verbrannte.

Ein Mord aus niedrigen Beweggründen, ausgeführt mit gemeingefährlichen Mitteln, hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft nach dem Unfall zunächst vermutet und drei Haftbefehle erlassen: gegen den Unfallverursacher, einen 29-jährigen Iraner, gegen einen 26 Jahre alten Deutschen - und gegen einen 34 Jahre alten Deutsch-Polen, der seinen in Dubai zugelassenen Lamborghini zurückließ und seitdem auf der Flucht ist.

Dass die Staatsanwaltschaft jetzt, nach der Neubewertung des Sachverständigen, vom Mordvorwurf ablässt, heißt jedoch nicht, dass es zu keiner Gerichtsverhandlung kommt: Die beiden Fahrer - und, so er gefasst wird, auch der dritte - werden sich vor Gericht für den tödlichen Unfall verantworten müssen. Die Lage ist für sie allerdings sehr viel günstiger als für jene beiden Raser aus Berlin, die das dortige Landgericht 2018 wegen Mordes zu einer lebenslänglichen Haftstrafe verurteilte, weil sie bei einem Rennen durch die Stadt einen tödlichen Unfall verursacht hatten.

Die beiden waren über den Kurfürstendamm gerast, unter Missachtung aller roten Ampeln und Geschwindigkeitsbeschränkungen. Auf der A66 bei Hofheim aber gibt es weder rote Ampeln noch an dieser Stelle eine Geschwindigkeitsbeschränkung.

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