Süddeutsche Zeitung

Höhlenrettung in Thailand:Die Welt bangt und hofft

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Insgesamt sind inzwischen acht der zwölf Jungen, die in der thailändischen Höhle eingeschlossen waren, gerettet. Sie werden im Krankenhaus in einer Art Quarantäne behandelt und abgeschirmt - auch von den eigenen Eltern.

Von Arne Perras, Mae Sai, und Max Sprick, Mae Sai/München

Aminthep Khongsanan, 23, weiß noch, wie ihn diese Geschichte als Kind fasziniert hat. Diese Geschichte um den Berg mit der Höhle, den sie Doi Nang Non nennen, "Hügel der liegenden Frau", sie ist so etwas wie die thailändische Variante von Romeo und Julia. Khongsanan erzählt sie beinahe andächtig: von der Tochter eines Königs, die sich in einen Pferdeknecht verliebt. Natürlich duldet der König diese unstandesgemäße Liebe nicht, das verbotene Paar flieht in die Berge und findet Schutz in der Höhle. Doch die Armee des Königs verfolgt die Prinzessin, Soldaten töten den Pferdeknecht. Ihre Trauer ist so groß, dass sie sich das Leben nimmt. Seither liegt die Tochter des Königs dort, in Doi Nang Non, und manche sagen, das sei schon deshalb so, weil der Höhenzug ja aussehe wie eine liegende Frau. Und ihr Blut fließt als Wasser durch die Höhle.

Viele Leute in Mae Sai, nicht nur Khongsanan, glauben, dass der Geist der Prinzessin immer noch dort unten herumschwirrt, und dass das Drama um die Jungen irgendetwas mit der Sage zu tun haben muss. "Wir wissen nicht, was genau die Geister erzürnt hat, aber viele glauben nicht an einen Zufall, es muss einen Grund haben, warum die 13 dort feststecken", sagt Khongsanan. Warum sonst dieser Leichtsinn der Gruppe? "Sie haben alle einen großen Fehler gemacht, aber keiner kann sich erklären, warum."

Am Montagmorgen scheint die Sonne auf Mae Sai und den Höhenzug, der aussieht wie eine liegende Frau. Neun Mitglieder der anfangs dreizehnköpfigen, leichtsinnigen Gruppe von Fußballspielern zwischen elf und 16 Jahren und ihrem Trainer, stecken zu diesem Zeitpunkt noch in der teilweise überfluteten Höhle fest. Über Nacht ist darin das Wasser weiter gesunken, obwohl es gleichzeitig stundenlang monsunartig geregnet hat. "Der Wasserstand ist tief. Das Wetter ist gut. Die Ausrüstung ist bereit. Deshalb haben wir uns entschlossen", sagt Provinzgouverneur Narongsak Osottanakorn, als um elf Uhr Ortszeit der nächste Rettungseinsatz beginnt. Dieselben Taucher wie am Tag zuvor machen sich auf, um die von der traurigen Prinzessin festgehaltenen Kinder zu holen. "In ein paar Stunden werden wir gute Nachrichten haben", sagt Osottanakorn.

Die Kinder verlangten als erstes nach Pad Krapao: Hühnchen mit Reis

Er behält recht. Fünfeinhalb Stunden nach seiner Prophezeiung verlässt ein Rettungswagen mit Blaulicht die Gegend um die Höhle. Ein fünfter Junge ist gerettet worden, eine halbe Stunde später ist von Nummer sechs und sieben die Rede und schließlich auch von einem achten. Damit wären mehr als die Hälfte der 13 Eingeschlossenen befreit. Wie auch am Tag zuvor machen die thailändischen Behörden zunächst keinerlei Angaben zur Identität der Geretteten. Ein Mitglied des Spezialkommandos des Militärs bestätigt nur, dass vier weitere Jungen gerettet wurden.

Den am Vortag zuerst befreiten vier Jungen geht es den Behörden zufolge den Umständen entsprechend gut, sie werden in einem Krankenhaus in Chiang Rai weiter untersucht, etwa 50 Kilometer von der Höhle entfernt. Bis die Untersuchungen abgeschlossen sind, stehen sie unter einer Art Quarantäne. Aus Sorge, dass sich jemand unerlaubt Zutritt zu dem vierzehnstöckigen Zweckbau verschaffen könnte, hat die Polizei den achten Stock komplett abgeriegelt. Zunächst werden nicht einmal die Eltern darüber informiert, welche Kinder es rausgeschafft haben - um die mentale Gesundheit jener Eltern zu schützen, deren Söhne noch in der Höhle festsitzen, schreiben lokale Medien.

Die Eltern, die dann doch Bescheid bekommen, sollen erst nach einiger Zeit ins Krankenhaus. Ihnen soll erlaubt werden, ihre Söhne durch eine Glasscheibe zu sehen. Umarmungen oder Berührungen seien streng verboten, heißt es von Seiten der Ärzte. Zunächst müsse sichergestellt sein, dass die Jungen keine Viren aufgenommen haben, etwa von Leptospirose oder Melioidose, die durch verunreinigtes Wasser oder Tiere übertragen werden.

Vor ihrem Tauchgang hatten sie starke Medikamente bekommen. "Die Jungs standen unter Beruhigungsmitteln, damit sie nicht in Panik gerieten", sagte der dänische Taucher Ivan Karadzic einem Radiosender. "Sie waren nicht total betäubt, aber sie reagierten nicht mehr richtig." Die Jungen hätten Taucheranzüge und Masken getragen. "Sie sahen etwas verängstigt aus, aber sie waren nicht in Panik oder so. Und sie lächelten und sagten Danke", berichtete Karadzic.

Im Krankenhaus hätten die Geretteten als Erstes darum gebeten, Pad Krapao zu bekommen, berichtet der Guardian. Ein landestypisches Essen, das es in Garküchen an jeder Straßenecke gibt, aus Hühnchen, Reis und Thai-Basilikum.

Die Rettungsaktion für die in der Höhle verbliebenen Jungen wird vermutlich an diesem Dienstag fortgesetzt. Möglicherweise wird dann versucht, alle übrigen Kinder und ihren Trainer herauszuholen. An der Mae-Sai-Prasitsart-Schule, die sechs der Jungen besuchen, hoffen ihre Klassenkameraden auf ein baldiges Wiedersehen mit ihren Freunden. "Wir werden gegrilltes Schweinefleisch essen", sagt Pansa Sompienjai, 15. Er freue sich darauf, wieder mit seinen Freunden Fußball zu spielen. "Sie sollen sich beeilen, denn wir haben sehr viele Hausaufgaben."

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Quelle:
SZ vom 10.07.2018
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