Süddeutsche Zeitung

Baden-Württemberg:Geldstrafe für Angeklagten im Hexenkessel-Prozess

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Anfang des Jahres wurde eine Frau bei einem Fastnachtsumzug im baden-württembergischen Eppingen schwer verletzt. Nun ist das Urteil gegen einen 33-Jährigen gefallen, der dafür verantwortlich gemacht wird. Das Amtsgerichts Heilbronn verurteilte den Mann wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 6600 Euro. Damit blieb das Gericht etwas unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, der Verteidiger hatte einen Freispruch gefordert. Er kündigte an, gegen das Urteil vorgehen zu wollen.

In Eppingen gehört es zur Tradition, dass an Fastnacht als Hexen verkleidete Narren durch die Straßen ziehen. Spaß mit ein bisschen Grusel - so sollte es auch in der besagten Samstagnacht Anfang Februar sein. Eine Gruppe von Teilnehmern hatte auf einem Bollerwagen einen Kessel mit heißem Wasser und integriertem Holzofen dabei. Die 18-Jährige wurde offenbar von einem Freund geneckt und zu der Gruppe geschoben. Sie sollten sie doch mal ein Stück mitnehmen, sagte er.

Eine der Hexen hob die junge Frau hoch und hielt sie über den Kessel. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass die 18-Jährige dem Verdächtigen dabei aus den Händen glitt und mit beiden Beinen im heißen Wasser landete.

Ein Bekannter habe sie aus dem Kessel gezogen, sagte das Opfer aus. Nach ein paar Schritten zurück zu ihrer Gruppe sei sie zusammengebrochen. Mehrere Wochen kam sie ins Krankenhaus, die Haut an den Beinen war so stark verbrüht, dass eine Hauttransplantation vorgenommen werden musste. Außerdem konnte sie monatelang weder laufen noch richtig sitzen. In Chatprotokollen, die der Polizei zugespielt wurden, wurde das Opfer zudem verhöhnt.

"Ich habe liebend gerne Kleider getragen", sagt die 18-Jährige vor Gericht. Das gehe nun nicht mehr, weil ihre Beine so schwer vernarbt seien.

Das Opfer konnte den Täter nicht identifizieren. Wie auch? Es war dunkel, es war laut und alle 19 Hexen aus der Gruppe trugen ein ähnliches Kostüm mit einer Plastikmaske - und alle schwiegen oder wiesen die Vorwürfe zurück. 43 Zeugen hat das Gericht vernommen. Mehrere hatten den Angeklagten als Täter identifiziert. Der Verteidiger wies dagegen auf zahlreiche Widersprüche in den Zeugenaussagen hin. Außerdem kritisierte er die Ermittlungsarbeit der Polizei. Es seien schwere Fehler zum Beispiel bei der Vorlage von Fotos gegenüber Zeugen gemacht worden.

Der Falsche sitze auf der Anklagebank, so fasste der Verteidiger es zusammen. Sein Mandant sei "von den Socken" gewesen, als er gehörte habe, dass er die Hexe gewesen sein soll, die das Mädchen verletzte. "Von uns war das keiner", sagte der 33-jährige Angeklagte in einer Prozesspause mit Blick auf die Mitglieder seiner Gruppe, die "Bohbrigga Hexenbroda" wie sie sich selbst nannten. Das ist nun vorbei. Im kommenden Jahr wird kein Fastnachtsumzug in Eppingen stattfinden. Die "Bohbrigga Hexenbroda" hat sich aufgelöst, wegen der Ermittlungen zu dem Fall, hieß es vom Angeklagten. Wie "eine echte Hexenjagd" sei das gewesen.

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