Süddeutsche Zeitung

SZ-Kolumne "Bester Dinge":Schöner warten

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In Cottbus steht der angeblich beste Bahnhof Deutschlands. Dort treffen laut Jury "Züge aus sechs verschiedenen Richtungen" ein. Das ist mehr, als man von langweiligen Durchschnittsbahnhöfen erwarten kann.

Von Titus Arnu

"Diese Zeit gehört Dir", lautet der Slogan der Deutschen Bahn. Diesen Satz kann man sich als Mantra selbst vorsagen, wenn der Zug wieder mal wegen "Verzögerungen im Betriebsablauf" auf offener Strecke stehen bleibt. Oder wenn der Zugbegleiter auf Denglisch irgendwas ins Mikro nuschelt und man nur "Stäischen" versteht. Oder wenn man in Wolfsburg aussteigen will und der ICE aus Versehen durchrauscht.

Falls es ganz super läuft und der Zug pünktlich am richtigen Bahnsteig hält, kann man die Zeit, die einem dann gehört, am Bahnhof nutzen. Falls der Bahnhof nutzbar ist und nicht gerade im Boden versenkt wird wie in Stuttgart. Im Normalfall ist der Bahnhof eine Pommesbude mit Gleisanschluss wie in Dortmund. Gibt es eigentlich noch schöne Bahnhöfe? Ja, gibt es, findet der Verein Allianz pro Schiene, der gerade den Cottbuser Hauptbahnhof als "Bahnhof des Jahres" ausgezeichnet hat.

Der graue Betonklotz sieht aus wie eine Gesamtschule aus den 1970er-Jahren, wurde aber für 30 Millionen Euro zum "Zukunftsbahnhof" aufgepimpt. Die Lobbyorganisation lobt kurze Umsteigewege, Vernetzung, Freundlichkeit und Sauberkeit. Züge träfen "vor der vollen Stunde aus sechs verschiedenen Richtungen ein", heißt es in der Jurybegründung. Toll! Bei vielen Bahnhöfen wäre man schon froh, ein Zug würde wenigstens aus einer Richtung überhaupt mal eintreffen.

Einen Sonderpreis vergab der Verein an den Bahnhof Kühlungsborn West an der Ostsee. Diese Auszeichnung hat er vor allem für seinen wunderbaren Retro-Charme verdient. Die historische Schmalspurbahn Molli fährt von dort bis ins 15 Kilometer entfernte Bad Doberan, Fahrtzeit: 43 Minuten. Diese Zeit gehört dir!

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