Süddeutsche Zeitung

Hamburg:E-Mail-Lawine legt städtische Behörde lahm

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Eine Administratorin verschickt aus Versehen eine technische Meldung an 65 000 Mitarbeiter. Die tausendfachen Rückantworten bringen das System zeitweise ins Schlingern.

Von Thomas Hahn

Es gibt Augenblicke, in denen man sich zurückwünscht in die Zeit der alten Briefeschreiber, die mit klecksender Feder unleserliche Texte für die Ewigkeit schrieben. Schriftverkehr war für sie eine Geduldsprobe, kein Vergleich zu heute mit dem Internetz oder Internet, wie man auf Deutsch sagt. Die elektronische Post, auf Deutsch E-Mail, sichert schnelle Briefwechsel, verbindet Menschen, überbrückt Distanzen, ist eigentlich toll.

Aber sie nervt auch manchmal, wie das komplette Behördenpersonal der Hansestadt Hamburg bestätigen kann, das am Dienstag nämlich in eine Lawine aus unerwünschten Nachrichten geriet.Es begann nachmittags gegen halb zwei mit einer E-Mail an alle 65 000 Adressen der Hamburger Verwaltung. Die E-Mail verhieß eine Aktualisierung des Outlook-Kalenders. Keiner der Adressaten verstand die Nachricht. Viele wollten das zum Ausdruck bringen und antworteten mit E-Mails, die wieder an die 65000 Adressen der Hamburger Verwaltung gingen.

Insgesamt kursierten hunderttausende Mails

Diesen E-Mails antworteten wiederum andere über den Verteiler, man möge bitte nicht über den Verteiler antworten. So ging es eine Weile weiter. Schneeballeffekt nennt man so etwas. Binnen kurzer Zeit hatte jeder und jede aus dem Mitarbeiterstab der Behörden ungefähr hundert E-Mails auf dem Schirm, insgesamt kursierten Hunderttausende. Die Server waren überlastet, das System stockte. Es dauerte etwa zweieinhalb Stunden, bis alles wieder normal lief.

Der Grund für die E-Mail-Lawine ist längst klar: Einer Administratorin des Kommunikationsdienstleisters Dataport, der die Hamburger Verwaltung versorgt, war die Systemnachricht versehentlich über den Stadt-Verteiler gerutscht. Und viele moderne E-Mail-Menschen können auf solche Aussendungen dann offensichtlich nicht einfach mal nichts antworten.

Stimmt schon, sagt auch der Dataport-Sprecher Heiko Scharffenberg, "man würde sich mehr Disziplin wünschen". Groß wurde die Lawine ja erst durch die vielen Antworten. "Aber man kann es aus Sicht der Anwender auch verstehen, wenn man so eine Systemmail bekommt, die man nicht zuordnen kann."

Das ist das Schicksal des digitalen Bürgertums. Man zappelt im Netz der Informationsgesellschaft und ist derart connected, dass man in Gespräche gerät, in die man nie geraten wollte. Kann man nicht ändern, will wahrscheinlich auch keiner ändern. Auch wenn die alten Briefeschreiber noch sicher waren vor den Verteilern dieser Zeit.

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Quelle:
SZ vom 28.03.2019
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