Süddeutsche Zeitung

Wildtiere:"Füchse haben die Scheu vor uns verloren"

Lesezeit: 2 min

Ausgerechnet in den Städten fühlen sich Füchse zurzeit besonders wohl. Ein Wildtierexperte erklärt, warum sie den Menschen dort so nahe kommen und bei ihnen um Futter betteln.

Interview von Franziska Osterhammer

Auf Straßen, in Parks und Privatgärten: Stadtbewohner kommen gerade vermehrt in Berührung mit der Natur, denn wie oft um diese Jahreszeit tauchen Füchse in den Straßen auf. Dass diese Begegnungen zum Teil intensiver ausfallen, als so manch einem lieb ist, liegt an den Menschen selbst. Andreas König ist Wildtierexperte und lehrt an der TU München. Er erklärt, warum.

SZ: Herr König, wer gerade durch die Stadt spaziert, könnte auf der Straße einem Fuchs über den Weg laufen. Was ist da los?

Andreas König: Füchse fühlen sich schon lange in Städten wohl, wir beobachten das Phänomen seit Ende der 90er-Jahre: Es gibt viele Unterschlupfmöglichkeiten und Nahrung, und sie werden von den Menschen nicht gejagt. Sie haben deswegen die Scheu vor uns verloren.

Aktuell verhalten sie sich besonders zutraulich. Sie sollen sogar an Hosenbeinen zerren, um Futter betteln, sich wie Haustiere verhalten.

Im Frühjahr und im Herbst sieht man immer besonders viele Füchse. Im Frühjahr werden die Welpen geboren, und man sieht sie vor den Fuchsbauten. Im Herbst verlassen besonders dominante Jungfüchse ihre Familien, um ihr eigenes Revier zu finden. Denn nur Welpen, die sich unterordnen, dürfen bei ihren Familien bleiben. Dass sie auf ihrer Wanderschaft aber so nahe zu den Menschen kommen, liegt an den Menschen selbst.

Wieso?

Weil wir sie süß finden. Wenn Welpen bei uns im Garten geboren werden, füttern wir sie gerne, holen sie an die Hand. Und wer Füchse wie Haustiere verhätschelt, der sorgt dafür, dass sie sich wie welche verhalten.

Also sollte man sie besser nicht streicheln?

Füchse können Fuchsbandwurm übertragen, eine gefährliche Krankheit für Menschen. Außerdem gewöhnen sich die Jungtiere schnell an Menschen und sehen sie als ihre Familienmitglieder an. Wenn sie dann aber andere Menschen, zum Beispiel Nachbarn, begegnen, wollen sie ihr Revier verteidigen. Das kann schmerzhaft ausgehen. Wildtiere muss man Wildtiere sein lassen.

Was mache ich, wenn ich es zu gut gemeint habe und schon ein voll integriertes Familienmitglied bin?

Nicht mehr füttern und streicheln. Wenn er einem immer noch hinterherläuft, hilft auch, einen Eimer kaltes Wasser über das Tier zu schütten.

Das arme Tier.

Umgebracht hat das bekanntlich noch niemanden.

Nehmen die Fuchsbestände in den Städten zu?

Nur bedingt. Füchse freuen sich vor allem darüber, dass aus ehemaligen großen Grundstücken jetzt viele kleine gemacht werden. Das bedeutet, dass es mehr Sträucher und Büsche gibt, mehr Haustiere, die gefüttert werden.

Füchse profitieren also von den hohen Grundstückspreisen.

Könnte man so sagen. Mit der Grundstücksdichte steigt auch die Fuchsdichte. Stark verändert hat sich die Population trotzdem seit Anfang der 2000er-Jahre nicht. Wir haben nur das Gefühl, dass es mehr Stadtfüchse gibt, weil sie immer zutraulicher werden. Aber Füchse tun Städten gut: Sie sind Allesfresser und entsorgen Müll und tote Tiere, von denen es in der Stadt besonders viele gibt. Dadurch sorgen sie dafür, dass weniger Krankheiten von Tieren übertragen werden. Eine Gesundheitspolizei also.

Haben Sie selbst auch einen Fuchs im Garten?

Ab und zu läuft einer durch, ich mache aber nichts, damit er öfter vorbeikommt.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5097335
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/lot
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.