Süddeutsche Zeitung

Flugzeugentführung:Schwachpunkte sind schlechte Ausbildung - und Schlamperei

Lesezeit: 2 min

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

In Ägypten ist am Dienstagmorgen ein Passagierflugzeug nach Zypern entführt worden. Die Maschine der Egypt Air war gegen sieben Uhr vom Flughafen Borg al-Arab in Alexandria mit Ziel Kairo zu einem kurzen Inlandsflug gestartet, drehte dann aber auf das Mittelmeer hinaus ab und landete um 8:46 Uhr in der zyprischen Hafenstadt Larnaka. An Bord soll sich mindestens ein bewaffneter Mann befinden. Mehrere Passagiere durften das Flugzeug verlassen. Die aktuellen Entwicklungen können Sie hier verfolgen.

Die Sicherheitsvorkehrungen an ägyptischen Flughäfen stehen spätestens seit dem 31. Oktober vergangenen Jahres in der Kritik, als eine Maschine der russischen Gesellschaft Kogalymavia mit 224 Menschen an Bord über der Sinai-Halbinsel mit einer Bombe zum Absturz gebracht worden ist. Die Terrormiliz Islamischer Staat hatte sich zu dem Anschlag bekannt und auch Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hat in einer Rede indirekt eingeräumt, dass es sich um einen Terrorakt handelte. Die offizielle Untersuchungskommission hält allerdings weiter an der Version fest, dass es keine Beweise für einen Anschlag gebe.

Nach Überzeugung der russischen Geheimdienste wurde der Sprengsatz unter einem Sitz der Maschine versteckt, nachdem die Bombe am Flughafen von Scharm el-Scheich an Bord geschmuggelt worden war. Die Maschine sollte Urlauber zurück nach Sankt Petersburg bringen; sie zerbrach in der Luft, nachdem sie fast ihre Reiseflughöhe erreicht hatte. In der Folge stellten Großbritannien und Russland alle Flüge nach Scharm el-Scheich ein. Russland stoppte später jeden Luftverkehr mit Ägypten und entzog auch Egypt Air die Landeerlaubnis für Moskau. Auch weitere Charter-Fluggesellschaften annulierten ihre Flüge bis in den Sommer hinein.

Sicherheitsvorkehrungen nicht auf europäischem Standard

Die Folgen für den Tourismus in Ägypten, zeitweise die wichtigste Devisenquelle und ein wichtiger Arbeitgeber, sind verheerend. Die Buchungen für die Badeorte am Roten Meer brachen im Januar im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte ein. Erst am Freitag hatte sich Sisi bei einer Rede in Scharm el-Scheich zuversichtlich gezeigt, dass sich der Tourismus erholen werde; die Regierung habe viel unternommen, um klarzustellen, dass Ägypten ein sicheres Reiseland sei.

Internationale Delegationen, unter anderem aus Russland, Großbritannien und Deutschland hatten die von Touristen überwiegend genutzten Flughäfen am Roten Meer sowie das Drehkreuz in der Hauptstadt Kairo auf ihre Sicherheitsvorkehrungen hin untersucht. Die Küstenmetropole Alexandria am Mittelmeer, Ägyptens zweitgrößte Stadt, wird dagegen nicht so häufig von Touristen angeflogen. Die Sicherheitsvorkehrungen auf Inlandsflügen sind aller Erfahrung nach weiter nicht auf europäischem Standard. Als entscheidender Schwachpunkt gilt westlichen Geheimdienstlern schlecht ausgebildetes Personal und Schlamperei.

Russlands stellvertretender Außenminister Michail Bogdanow wurde in ägyptischen Medien noch Ende der vergangenen Woche mit der Aussage zitiert, die Zusammenarbeit russischer und ägyptischer Experten zur Wiederaufnahme der Flüge sei in der "Endphase", was Hoffnungen weckte, dass bald russische Touristen - bis zum Absturz im vergangenen Jahr die wichtigste Gästegruppe - nach Ägypten zurückkehren würden.

Nach der Entführung ist noch unklar, wie das Ausland reagiert. Das Vertrauen in die Sicherheit der ägyptischen Flughäfen wird der Vorfall allerdings keinesfalls verbessern.

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