Süddeutsche Zeitung

Fatwa gegen Yoga in Malaysia:Dehnübungen für die falschen Götter

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Malaysias Glaubenshüter haben Yoga verboten. Sie sehen darin eine Gefahr für den Islam. Genau wie in Botox und in Hosen für Frauen.

O. Meiler

Wenn es nur das Dehnen und das Atmen wäre, das akrobatische Verrenken der Glieder und das Anspannen der Muskeln zwecks besseren Körperbewusstseins, dann hätten wohl auch die ernsten Herren vom malaysischen Fatwa-Rat nichts gegen Yoga. Dann sähen sie es wohl als Sport an, als elegante und im besten Fall ästhetische Form von Fitnesstraining. Und was soll daran unzüchtig sein?

Doch nun ist es ja so, dass so manch Übender beim Dehnen und Atmen Mantras in einer fremden Sprache rezitiert, meditiert, andächtig singt, zuweilen gar zu einer Gottheit, wie sie im Hinduismus zu Tausenden, zu Millionen verehrt werden. Vielleicht suchen einige nicht nur das Gleichgewicht ihres Körpers, sondern auch gleich noch jenes des Geistes und der Seele. Und das geht den strengen Herren zu weit.

Die obersten Glaubenshüter Malaysias haben eine Fatwa gegen die alte indisch-hinduistische Philosophie und Körperertüchtigung erlassen, ein religiöses Edikt gegen Yoga also. Der Islam, so sagen sie, biete alles für jede Lebenslage, er brauche keine fremden Hilfsmittel, die seine Lehre auch noch untergraben und verwässern könnten. "So schnell führt das eine zum anderen", heißt es im Edikt. Und so dürfen Malaysias Muslime, etwa sechzig Prozent der Bevölkerung, fortan kein Yoga mehr praktizieren.

Es liegen keine Statistiken vor, die Aufschluss gäben über die Anzahl jener Malaysier und Malaysierinnen, die sich den Alltagsstress mit Yoga vom Leib trainieren, meistens in aller Herrgottsfrüh, kurz nach dem Morgengebet, bei dem sie sich gen Mekka wenden. In der Hauptstadt Kuala Lumpur allein soll es Hunderte Yoga-Klassen geben. Zwar ist bisher nie die Rede gewesen von heimlichen Massenkonvertierungen vom Islam zum Hinduismus. Doch offenbar schien den Räten die Zeit reif zu sein, ein Zeichen zu setzen. Der indonesische Rat der Geistlichen prüft die Frage nun ebenfalls.

Menschenrechtsorganisationen reagieren mit Empörung auf die Fatwa. Die malaysische Gruppe Sisters in Islam etwa, die sich für eine liberale und tolerante Auslegung des Korans und für Frauenrechte einsetzt, klagt über eine angebliche Paranoia. In der Zeitung Sunday Star sagte eine ihrer Anführerinnen: "Der Fatwa-Rat erweckt mit seinem Edikt den Eindruck, Yoga stelle eine Gefahr dar für den Islam. Dabei ist es für die meisten nur eine körperliche Übungsform wie etwa Tai Chi." Doch ihre Stimme hat nur wenig Gewicht.

Die malaysische Regierung folgt in aller Regel dem Rat der Glaubenshüter. Zumindest widersetzt sie sich selten einem Gebot, das die muslimisch-malaiische Mehrheit stärker von den großen Minderheiten trennen könnte, den chinesisch- und den indischstämmigen Malaysiern, die 25 respektive 10 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Seit Jahren geht diese Trennung, die mit politischen Vorzugsprogrammen für die Malaien zementiert wird, einher mit einer Islamisierung der Gesellschaft. Sie steht dem Bild einer harmonisch multikulturellen und offenen Gesellschaft entgegen, wie es Malaysia gerne von sich selbst malt.

Nichtbeachtung ist Sünde

Der Fatwa-Rat wird denn auch immer aktiver, und das auf allen möglichen Gebieten des Alltagslebens. So verbot er den muslimischen Frauen unlängst, Hosen zu tragen, weil sich das nicht gezieme. Botox-Injektionen bei Schönheitsoperationen sind geächtet, seit bei Labortests herausgekommen sein soll, dass der Mix auch Spuren von Schweinegewebe enthalte. Und vor jedem Konzert eines knapp bekleideten Rocksternchens aus Amerika läuft der Rat wochenlang Sturm, bis sich die Damen entschließen, sich züchtig anzuziehen oder das Konzert abzusagen.

Rechtlich bindend sind die Fatwas zwar nicht. Doch wer dagegen handelt, begeht eine Sünde. Und das ist fast so schlimm wie ein Verstoß gegen das weltliche Gesetz.

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SZ vom 02.01.2009/hai
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