Süddeutsche Zeitung

Erpressung der Quandt-Erbin Klatten:Mitleid, Sex und Videos

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Die Quandt-Erbin Susanne Klatten ist keinem allein handelnden Gigolo auf den Leim gegangen - eine organisierte Bande erpresste mehrere reiche deutsche Frauen.

Birgit Lutz-Temsch

Es ist eine Kriminalgeschichte wie aus dem Bilderbuch, die sich da zugetragen hat zwischen München, Zürich und Pescara. Die Täter sind mehrere Kriminelle aus Italien und der Schweiz, zu den Opfern zählt die reichste Frau Deutschlands.

Aus der Zusammenfassung der Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft von Pescara, die sueddeutsche.de vorliegt, geht hervor, dass der in Zürich lebende Ernani B. eine richtiggehend kriminelle Bande um sich versammelte. Deren einziges Ziel war es, erhebliche Geldsummen von reichen Frauen zu erschleichen, sei es mit mitleiderregenden Geschichten oder notfalls auch mit Erpressungen - und dieses Geld gewinnbringend in ein Restaurant sowie verschiedene Immobilien im In- und Ausland zu investieren.

Kopf und Köder

Der 63-jährige B. fungierte nach Aktenlage als der Kopf der Bande. Der aus Pescosansonesco, einem kleinen Ort in den Bergen hinter Pescara stammende B., der mit einer Schweizerin verheiratet ist und mit dieser in der Nähe von Zürich lebt, ist den Behörden kein Unbekannter, wie der Schweizer Blick am Sonntag berichtet: Schon Mitte der neunziger Jahre ermittelte die dortige Bezirksanwaltschaft wegen Betrugs und Erpressung gegen ihn: B., der sich als Sektenguru betätigte, trat als Gesundbeter auf und gaukelte kranken Frauen vor, sie mit seinen Gebeten heilen zu können. Stattdessen betrog er sie um Geld.

Es scheint das erklärte Lebensziel B.s gewesen zu sein, mit derlei Betrügereien an immer größere Geldsummen zu kommen. Zu diesem Zweck versammelte er im Jahr 2006 die Bande um sich, die aus dem künftigen Köder Helg S. und mehreren Familienmitgliedern der beiden bestand. Auch S. soll dem Blick am Sonntag zufolge in Österreich schon durch Vermögensdelikte aufgefallen sein.

S. kam innerhalb der Bande die Aufgabe zu, sich unter anderem in Hotelbars an die reichen Frauen heranzumachen. Mit Erfolg: Der wohl sehr gepflegt auftretende S. schaffte es nach Aktenlage bei drei deutschen Damen, sich deren Vertrauen zu erschleichen und intime Beziehungen aufzubauen. Eine davon: Quandt-Erbin Susanne Klatten. Bei den beiden anderen Opfern handelte es sich zwar ebenfalls um reiche Frauen, nicht jedoch, wie zuvor in italienischen Medien berichtet, um Freundinnen Klattens.

Was die Frauen nicht wussten: Schon bei den ersten intimen Zusammentreffen in Hotelzimmern fertigten seine Komplizen Videoaufnahmen an, die späteren Erpressungen dienen sollten. Der Aktenlage zufolge zählten zu diesen Komplizen unter anderem der 32-jährige Sohn und die 35-jährige Tochter B.s.

Mitleid und die Mafia

Die Videoaufnahmen kamen jedoch bei allen drei Frauen erst später zum Einsatz: Zuerst versuchte S., mit mitleiderregenden Geschichten von einer Erpressung durch die Mafia Geld zu erschleichen. Susanne Klatten glaubte dieser Mitleidsmasche und zahlte dem vermeintlich Bedrohten sieben Millionen Euro, die beiden anderen Frauen übergaben 600.000 Euro und 300.000 Euro.

Diese Summen waren der Verbrecherbande jedoch nicht mehr genug. Mit Drohanrufen und Briefen mit DVDs, auf denen Szenen der intimen Zusammenkünfte zu sehen waren, versuchte die Bande, noch höhere Summen zu erpressen. Bei der Geschädigten, die zuvor bereits 600.000 Euro bezahlt hatte, gelang dies auch: 1,5 Millionen Euro zahlte die Frau, auch weil ihr, so ist den Akten zu entnehmen, massiv gedroht wurde.

Bei Susanne Klatten misslang diese Erpressung: Sie wandte sich an die Polizei und ging nur zum Schein auf die Forderung ein, 14 Millionen Euro zu zahlen. An der Übergabestelle im tirolerischen Volp wartete an ihrer Stelle schließlich die Polizei auf S., der seitdem im Münchner Gefängnis Stadelheim einsitzt.

Ein Sprecher Klattens sagte der Süddeutschen Zeitung am Samstag, Klatten habe sich im Januar 2008 entschlossen, Strafanzeige wegen Betrugs und Erpressung zu stellen, weil sie erkannt hatte, dass "die Beziehung zu Herrn S. einen ausschließlich kriminellen Hintergrund hatte". Sein Ziel sei von Anfang an gewesen, sie zu betrügen und Geld zu erpressen.

Durch diese Geschichte kommt nun das Privatleben der Quandt-Erbin in die Öffentlichkeit wie noch nie zuvor - mit allen Zutaten wie Liebe, Betrug und ganz viel Geld. Susanne Klatten gehören 12 Prozent am Autohersteller BMW und 50 Prozent am Chemieunternehmen Altana. Diese Beteiligungen sind zusammen selbst nach dem Absturz der Aktienkurse in der Finanzkrise noch immer mehr als zwei Milliarden Euro wert, Anfang des Jahres war es noch doppelt so viel. Daneben besitzt sie noch mehr als zwei Milliarden Euro, da sie vor zwei Jahren einen großen Teil von Altana verkauft hat.

Das Schweigen bedroht

Susanne Klatten gilt als extrem verschwiegen, über ihr Privatleben hat sie bislang nie etwas verlauten lassen, und selbst über ihre Geschäfte können Außenstehende nur mutmaßen. Sie sitzt zwar in den Aufsichtsräten von BMW wie Altana, doch sie meldet sich auf den Aktionärsversammlungen niemals zu Wort. Trotzdem nimmt sie kräftig Einfluss auf das Geschehen. "Das macht sie aber hinter den Kulissen", berichtet ein Bekannter.

Die Geheimniskrämerei hat sie von ihren Eltern gelernt, die zu den zurückhaltendsten Unternehmern in Deutschland gehören. Der Vater, Herbert Quandt, der 1982 mit fast 72 Jahren starb, gehört zu den sagenhaften Figuren der deutschen Wirtschaftswunderzeit. Er hat zwar Teile seines Vermögens schon im Nazi-Reich erworben, nicht zuletzt mit Hilfe von Zwangsarbeitern.

Doch sein eigentlicher Aufstieg begann 1959, als er in das Münchner Pleite-Unternehmen BMW einstieg. Seitdem gilt Herbert Quandt als Held der deutschen Wirtschaft, der den Münchner Autohersteller rettete. Mit dem Aufstieg von BMW zu einem der erfolgreichsten Autounternehmen der Welt machte er ein Riesenvermögen. Das erbten seine Witwe Johanna Quandt sowie seine Kinder Stefan und Susanne.

Von den dreien ist Susanne Klatten die am wenigsten bekannte. Ihr Auftreten wird als extrem bescheiden, ja als fast schüchtern beschrieben. Ihr Bruder tritt zumindest gelegentlich in der Öffentlichkeit auf, und selbst Johanna Quandt zeigt sich bisweilen, und sei es nur, um den nach ihrer Familie benannten Journalistenpreis zu übergeben.

Dass Susanne Klatten ein von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerktes Leben führt, mag auch an ihrem Familiennamen liegen. Den bekam sie, nachdem sie sich zunächst einmal den Namen Kant zugelegt hatte. Die junge Susanne Quandt wollte bei BMW im Werk Regensburg ein Praktikum machen, aber auf keinen Fall unter ihrem richtigen Namen.

Bei dieser Hilfstätigkeit lernte sie im Werk den jungen Ingenieur Jan Klatten kennen. Der soll lange keine Ahnung gehabt haben, wer sie eigentlich ist. 1990 haben die beiden geheiratet. Sie leben mitten im Münchner Stadtteil Schwabing, in der Nähe des Englischen Gartens in einem Haus mit Pool und hohen Mauern. Die Frau mit dem burschikosen Haarschnitt und der stets unauffälligen Kleidung will offenbar ein möglichst normales Leben führen und auf die Straße gehen können, ohne erkannt zu werden.

Ihre Mutter hatte es genauso gemacht, und wenn die alte Dame sich mit dem Namen Quandt vorstellte und gefragt wurde, ob sie mit der Unternehmerfamilie verwandt sei, pflegte sie stets zu antworten: Schön wär's. Nun aber ist das ruhige, zurückgezogene Leben erst einmal bedroht. (sueddeutsche.de/bilu/lala/cag)

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