Süddeutsche Zeitung

Elterngeld:Wo Deutschlands modernste Väter wohnen

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Von Johannes Böhme

Wer mit dem modernen Mann nichts zu tun haben will - mit diesem Softie, der abends Wäsche bügelt, den Abwasch macht und ein paar Monate mit dem Kind zu Hause bleibt, damit die Frau arbeiten kann -, der muss nach Gelsenkirchen fahren. Zumindest, wenn man eine Studie des Statistischen Bundesamtes als Anhaltspunkt nimmt.

Nur 12,8 Prozent der Gelsenkirchener Väter nahmen demnach in den vergangenen zwei Jahren das Elterngeld in Anspruch, mit dem Familien nach der Geburt eines Kindes eine Pause vom Job nehmen können. Die "Stadt der 1000 Feuer", wie Gelsenkirchen genannt wird, weil dort früher das überschüssige Koksgas in allerlei Fackeln verbrannt wurde, ist damit in Deutschland Schlusslicht.

In Bayern und Sachsen pausieren die meisten Väter

Auch im Rest des Landes ist das Engagement der Väter durchwachsen. Männer nehmen das Elterngeld immer noch deutlich weniger und vor allem kürzer in Anspruch als Frauen. Insgesamt liegen die Väter in Sachsen und Bayern vorne. Im Schnitt pausierten hier etwa 40 Prozent der Männer mindestens zwei Monate für ihre Kinder.

Bevor man nun aber in Sachsen und Bayern ein Loblied auf die Familienpolitik der dort regierenden CDU beziehungsweise CSU anstimmt, relativiert ein Blick auf die Länge der Auszeiten den Erfolg. Sachsen und Bayern haben, wie auch Thüringer und Baden-Würtemberger, die kürzesten Pausen gemacht: Fast 85 Prozent der Männer in Bayern nahmen nur eine Auszeit von zwei Monaten - das gesetzliche Minimum - während ihre Frauen mehrheitlich die vollen zwölf Monate zuhause geblieben sind. Ähnlich sieht es in Sachsen aus, wo mehr als 80 Prozent der Männer nur zwei Monate Arbeitszeit für den Nachwuchs opferten.

Woran aber liegen die Unterschiede? Wieso nehmen saarländische Männer das Elterngeld nicht an, sächsische aber schon?

Gewissheit gibt es keine. Etliche regionale Besonderheiten sind "bis heute nicht ganz aufgeklärt", sagt Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Allerdings scheinen Bildung, Arbeitslosigkeit und tradierte Geschlechterrollen eine herausgehobene Rolle zu spielen.

Die Ursachen: Bildung, Arbeitslosigkeit und gewachsene Rollenbilder

Christina Boll vom Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut zufolge nehmen vor allem Männer mit einem hohen Bildungsniveau das Elterngeld in Anspruch. Dazu kommen Väter, die "in einem sicheren Beschäftigungsverhältnis sind". Anders gesagt: Wer wenig verdient und eine geringe Jobsicherheit hat, geht das Risiko nicht ein, für ein paar Monate familienbedingt auszuscheiden.

Der zweite Faktor ist das Arbeitslosengeld. Wer welches bezieht, bekommt kein zusätzliches Elterngeld. Ganz einfach: Je schlechter die wirtschaftliche Lage, desto weniger Männer in Elternzeit.

Bleiben die Geschlechterrollen. Im Osten sind Frauen schon lange deutlich häufiger berufstätig als im Westen. Und wo beide Elternteile arbeiten, setzen Männer eher aus. Dagegen sind Männer im Westen häufiger die Alleinverdiener. Für sie und ihre Familien ist das Elterngeld im Vergleich zum normalen Einkommen in der Regel keine Alternative, da es bei 1800 Euro im Monat gedeckelt ist.

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