Süddeutsche Zeitung

Ein Anruf beim ...:"German Hot Boy"

Lesezeit: 2 min

1991 zog Familie Nguyen aus Vietnam nach Deutschland. Erst 16 Jahre später bekam sie eine Aufenthaltserlaubnis. Nun ist der singende Sohn ein Star - ausgerechnet im fernen Asien.

Von Martin Zips

Im Jahr 1991 kam die vietnamesische Familie Nguyen nach Deutschland. Die Mutter: Französischlehrerin. Der Vater: Fußballspieler in der Nationalmannschaft des Einparteienstaats. Mit einem Touristenvisum gelangten die Nguyens über Moskau, Polen und Tschechien nach Bad Kissingen. Die Mutter berichtete den deutschen Behörden, dass sie von vietnamesischen Polizisten brutal behandelt worden sei, nur weil man sie einmal mit zwei Ausländern auf der Straße gesehen hatte. Sie verlor ihren Job und floh mit ihrem Mann.

In Deutschland brauchte es dann 16 Jahre und 4000 Unterschriften einer Bürgerinitiative, bis die Familie endlich ihre unbefristete Aufenthaltserlaubnis erhielt. Und dieser Tage macht Trong Hieu, 23 Jahre alter Sohn der Nguyens, nun in Vietnam Schlagzeilen.

SZ: Wieso kennt man Sie eigentlich in Vietnam?

Trong Hieu Nguyen: Im April bin ich mit meinen Eltern nach Vietnam gereist, um unsere Familie zu besuchen. Da hörte ich von einer Freundin, dass hier gerade ein Casting läuft für so eine Art "Vietnam sucht den Superstar". Es war der letzte Tag, und da dachte ich mir: Mach ich halt mal mit. Unfassbar, dass ich jetzt gewonnen habe. Mit 71 Prozent der Stimmen! Seitdem geht es für mich Schlag auf Schlag. Vor ein paar Minuten war ich Gast in einer der berühmtesten Talkshows des Landes. Dabei kann ich nicht mal die Sprache besonders gut, ich bin ja in Bad Kissingen geboren.

Auf Ihrer Homepage findet sich dieser Satz: "Seine Eltern brachten ihn und seine Schwester nach Deutschland, in der Hoffnung, mehr Menschlichkeit zu erfahren. Diese Hoffnungen wurden bitter enttäuscht, denn obwohl seine Eltern sich in die Gesellschaft integrierten, wurde ihnen ein Leben in Deutschland verwehrt." Erzählen Sie mal.

Nach sehr langer Prüfung durch die zuständigen Behörden wäre unsere Familie am Ende fast wieder zurückgeschickt worden. Wir haben uns aber dagegen gewehrt und sehr, sehr viel Unterstützung erhalten. Letzten Endes durften wir doch bleiben. Meine Eltern und meine Schwester wohnen noch in Bad Kissingen, sie betreiben dort ein kleines Bistro mit 20 Plätzen. Wie alle anderen wollten auch meine Eltern immer nur das Beste für ihre Kinder. Eine gute Versorgung, eine gute Ausbildung. Deshalb kamen sie nach Deutschland. Es war ihre Hoffnung, dass auch ich irgendwann meine Träume verwirklichen kann. Und das hat geklappt.

In Deutschland sind Sie auch schon als Sänger und Tänzer aufgetreten.

Ja. Seit drei Jahren lebe ich in Hannover und hab dort auch Gesang studiert. Aber meine Karriere lässt sich nicht mit dem vergleichen, was ich gerade hier erlebe. Ich bin in den Charts, gelte als "German Hot Boy", werde fotografiert, erhalte Liebesbriefe und werde mir eine Wohnung nehmen müssen. Ich stelle mich auf ein Leben als deutsch-vietnamesischer Pendler ein.

Eine unglaubliche Geschichte, wenn man an die Flucht Ihrer Eltern denkt.

Die sagen schon: Pass auf, das alles birgt auch Gefahren. Aber ich werde natürlich immer aufpassen und mich nicht verschaukeln lassen. Ich habe ja auch noch ganz viel Familie in Vietnam: eine Großmutter und sehr viele Cousins, Cousinen, Tanten und Onkel. Die sind meine Basis. Aber das Preisgeld ist mit 20 000 Euro auch nicht zu verachten. Für Vietnamesen ein Wahnsinnsbetrag.

Was ist für Sie das Schöne an Vietnam?

Das Schöne an Vietnam ist für mich, dass die Leute dort unfassbar freundlich sind, obwohl sie so viele Probleme haben. Natürlich träumen auch dort viele davon, mal woanders zu leben. Ich muss oft darüber nachdenken, wenn ich von den aktuellen Flüchtlingsschicksalen höre. Ich habe Glück gehabt. In Deutschland und Vietnam.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2596659
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 06.08.2015
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.