Süddeutsche Zeitung

Donaueschingen:Heiliger Krieg im Wartezimmer

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Weil sein Name "Heiliger Krieg" bedeutet, verweigerte eine Kieferorthopädin dem 16-jährigen Cihad im baden-württembergischen Donaueschingen die Behandlung. Nun beteuert sie: "Ich bin keine Türkenhasserin."

Cihad C. drohte niemandem, er wünschte den Ungläubigen nicht den Tod und äußerte sich auch sonst nicht extremistisch. Sein Name allein war für seine Kieferorthopädin eine Kriegserklärung. Sie verweigerte dem 16-Jährigen aus dem baden-württembergischen Donaueschingen die Behandlung. Ihre Begründung: "Cihad" bedeutet "Heiliger Krieg" - unter anderem.

Cihad sei wegen seiner Zahnspange schon oft in der Praxis gewesen, berichtet der Schwarzwälder Bote, doch mit der Ärztin habe er vorher nie zu tun gehabt. Sein Termin am vergangenen Dienstag um 8:30 Uhr endete anders als erwartet. Der Name sei ihr gleich "übel aufgestoßen", sagte sie Kieferorthopädin der Zeitung. Als sie den Teenager nach der Bedeutung gefragt habe, bestätigte er, dass sein Name "Heiliger Krieg" bedeutet. Daraufhin habe sie seine Behandlung abgelehnt. Cihad verließ geknickt die Praxis.

"Er kann ja nichts dafür"

Der Auftritt von Cihads Vater trug nicht gerade zur Entspannung der Situation bei: Laut Schwarzwälder Bote kam er wütend in die Praxis. Eine Entschuldigung der Ärztin habe er nicht angenommen. Darüber hinaus habe er sie bedroht und versprochen, sie "fertigzumachen". Der Vater bestreite das.

"Ich bin keine Türkenhasserin", sagte die Ärztin der Zeitung. Allerdings bereue sie die Ablehnung der Behandlung im Nachhinein: "Er kann ja nichts dafür, dass seine Eltern ihn so genannt haben."

In der Türkei ist der Name durchaus üblich. Er stammt vom arabischen Begriff "Dschihad". Den Namen hätten sie ausgewählt, weil er ihnen gefalle, nicht aus islamistischen Motiven, erklärten die Eltern. Sie seien "gar nicht so religiös".

Islamwissenschaftlern zufolge bedeutet der Name Cihad "Bemühen um die Religion" oder auch "Bemühen um das Gute". Allerdings nehmen vielfach religiöse Fanatiker und Islamisten den Begriff, der häufig mit "Heiliger Krieg" übersetzt wird, für sich in Anspruch.

Laut der Landesärztekammer Baden-Württemberg hatte die Kieferorthopädin das Recht, Cihad wieder nach Hause zu schicken. Da der Junge ohne akute Schmerzen zu ihr kam, sei sie zu keiner Notfallbehandlung verpflichtet gewesen, sagte ein Sprecher. Es sei allerdings "etwas außergewöhnlich", einen Patienten allein wegen seines Vornamens abzulehnen.

Um den Namen gab es in Deutschland schon einmal Wirbel: In Berlin hatte ein Islamist vor drei Jahren per Gericht durchgesetzt, dass er seinen Sohn "Dschihad" nennen darf - gegen den heftigen Protest von Innensenator Ehrhart Körting (SPD). "Dschihad" sei zwar ein geläufiger arabischer Vorname. In Deutschland werde er aber automatisch mit islamistischem Terror in Verbindung gebracht. Damit sei das Wohl eines Kindes gefährdet, so Körting damals. Er hatte zugleich auf die radikale Gruppe Islamischer Dschihad verwiesen, die auf der Terrorliste der Europäischen Union stehe.

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