Süddeutsche Zeitung

Die Kölner Verkehrsbetriebe:Bauherren und Ratsherren

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In Köln weisen alle Beteiligten die Schuld von sich - oder jemand anderem zu. Welche Rolle spielten die Verkehrsbetriebe?

D. Graalmann

Es war ein schwerer Gang für Jürgen Fenske. Der Vorstandssprecher der Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) konnte bei der Sondersitzung des Kölner Rates wieder nur über offene Fragen reden. Der Druck auf die KVB als Bauherr der Kölner Nord-Süd-Bahn ist immens, und so erzählte Fenske die Geschichte des Busfahrers, der beim Zusammenbruch des Stadtarchivs seinen Bus nahe der Unglückstelle stoppte und fünf "orientierungslos herumirrende" Menschen gerettet habe. Fenske blickte in die Runde und sagte: "Auch das ist die KVB."

Der Rat applaudierte. Es war Beifall in eigener Sache. Denn die Kölner Verkehrsbetriebe sind ein kommunales Unternehmen, das zu zehn Prozent der Stadt gehört, die übrigen 90 Prozent halten die Stadtwerke, die wiederum hundertprozentige Tochtergesellschaft der Stadt Köln sind. Die KVB hat jahrzehntelange Erfahrung mit dem Transport von Menschen per Bus und Bahn. Das ist ihr Kerngeschäft. Mit der Nord-Süd-Bahn aber übernahm sie 2002 plötzlich die Rolle des Bauherren eines Mammutprojekts.

Es war Zufall, denn die Stadt Köln wollte für den Bau der Nord-Süd-Verbindung eigentlich eine eigene Gesellschaft gründen. Bald zeigte sich jedoch, dass dies auch aus steuerrechtlichen Gründen problematisch war. So wurde die gigantische Baumaßnahme dann den Verkehrsbetrieben übergeben, die damit kaum Erfahrung und wenig Knowhow hatten. Letzteres besorgten sie sich mit der teilweisen Überleitung der städischen Mitarbeiter.

Für den damaligen Kölner Baudezernenten Bela Dören aber bedeutete dies, dass ein "risikobehaftetes Projekt leichtfertig aus der Hand gegeben" wurde. Da die KVB über "keinen ausreichenden Sachverstand" verfügt habe, seien die meisten Aufträge an Ingenieur-Büros vergeben worden. "Man musste sich auf die beauftragten Firmen verlassen, ohne sie kontrollieren zu können", sagte Dören der Süddeutschen Zeitung.

Denn die KVB ist keine Baubehörde, sie ist ein zutiefst politisch durchwirktes Unternehmen. In den Aufsichtsrat entsenden die Ratsfraktionen ihre Leute, entlang der politischen Linien läuft die Bestellung des Vorstands. Der Vorstandssprecher ist traditionell ein Sozialdemokrat, seit dem 1. Januar heißt er Jürgen Fenske, früher in Kiel Büroleiter von Peer Steinbrück. Niemand stellt die fachliche Eignung von Fenske, der lange bei der DB Regio arbeitete, in Frage. Aber sein Parteibuch dürfte ihm nicht geschadet haben. Ernsthafter Streit um derlei politische Postenvergabe blieb in der Regel aus.

Nur als die SPD 2005 den KVB-Chef Werner Böllinger auch noch als Vorsitzenden der Stadtwerke durchdrückte, reagierte die CDU empört und geißelte die Unsitte, "städtische Gesellschaften als Selbstbedienungsladen der Politik" zu betrachten. Der Kölner CDU-Chef hieß Walter Reinarz; jener Reinarz, der seit 2003 Technik-Vorstand der KVB ist.

Wie brisant die politische Einmischung ist, hatte im Juni 2008 ein Fachbereichsleiter der KVB offenbart. Auf einem Kolloquium hielt der Diplom-Ingenieur Peter Jacobs ein Referat zum Thema "Restrukturierung und Kostendruck versus Sicherheit und Verfügbarkeit". Dabei beklagte er den massiven Einfluss der Politik und sagte, dass die "technische Kompetenz bei den Entscheidern - insbesondere auf der Ebene der Vorstände oder Geschäftsführer - vielfach nicht mehr vorhanden" sei. Der Ingenieur konstatierte die "wesentlich höhere Wertschätzung" von Kaufleuten und Juristen, weil "deren Aussagen zumeist nicht durch technische Detailkenntnisse getrübt sind". Ob Jacobs dabei sein eigenes Unternehmen im Blick hatte, wollte er auf Anfrage nicht kommentieren.

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Quelle:
SZ vom 18.3.2009
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