Süddeutsche Zeitung

Demonstrationen:Opfer: Weiblich

Lesezeit: 2 min

Zehntausende Menschen protestieren in Frankreich und Italien gegen Gewalt gegen Frauen. Unterdessen wird auf Sizilien ein neuer Femizid gemeldet.

Von Oliver Meiler

Von der Piazza della Repubblica bis zur Piazza San Giovanni, mit einem fünfminütigen Stopp auf der Piazza dell' Esquilino. Zehntausende Frauen und auch etliche Männer sind bereits am Samstag zum Internationalen Tag gegen die Gewalt an Frauen, mit Sprechchören und Banderolen durch die Straßen Roms marschiert. Auch in Frankreich, wo seit Monaten Aktivistinnen politische Ergebnisse zu dem Thema einfordern, gingen viele, viele Tausende auf die Straße.

In Rom, auf dem Platz vor der Basilika Santa Maria Maggiore, blieben die weiblichen und männlichen Protestierer alle stehen, für fünf Schweigeminuten. Die Teilnehmer hielten weiße Blätter hoch, auf denen schwarz die Namen von Frauen, deren Alter und das Datum gedruckt waren, als sie umgebracht wurden. Blätter wie Todesanzeigen. In der Mitte aber stand groß: "Presente", anwesend.

Das dramatische Phänomen der Femizide, der Frauenmorde, ist ein weltweites. In Italien liegt die Anzahl mehr oder weniger im europäischen Durchschnitt und ist traurig hoch: Für 2018 hat die italienische Polizei 142 Frauenmorde registriert, im laufenden Jahr bisher 94, in Frankreich wurden mindestens 116 gezählt, ähnlich sind die Zahlen in Deutschland. Die meisten dieser Frauen wurden zu Hause getötet, von ihrem Ehemann. Andere von ihrem Ex, von ihrem Liebhaber, von ihrem Freund - von Männern also, die vorgaben, sie zu lieben. Das Muster ist überall auf der Welt, wo es Femizide gibt, ungefähr dasselbe.

Auch in Italien wird die Frage seit einigen Jahren offener debattiert. Das geht vor allem auf das Engagement von Vereinigungen wie jener des Netzwerks "Non una di meno" zurück, zu Deutsch: "Nicht eine weniger", von der "Casa Internazionale delle Donne" im römischen Stadtteil Trastevere, wo Gewaltopfer betreut werden, sowie von einigen Politikern, vor allem: Laura Boldrini, Präsidentin der italienischen Abgeordnetenkammer von 2013 bis 2018. Während ihrer Amtszeit lud sie Gewaltopfer ins Parlament ein und veranstaltete Konferenzen. An Protesttagen ließ sie aus Solidarität jeweils ein pinkes Tuch am Palazzo Montecitorio anbringen, das hatte es davor nie gegeben.

Von der politischen Rechten und den Hassern im Netz wurde die Sozialdemokratin, die früher für das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen gearbeitet hatte, so massiv angegriffen, dass nun vor dem Haus im Zentrum Roms, in dem sie wohnt, rund um die Uhr zwei Carabinieri stehen. Sie gilt als bedroht. Boldrini nahm dennoch am Marsch teil. "Wir erleben einen kulturellen Rückschritt, was die Rechte der Frauen angeht", sagte sie in einem Interview. Die feministische Revolution sei noch lange nicht zu Ende.

Während die italienischen Nachrichtensender live von der Kundgebung berichteten, kam aus Sizilien die Meldung eines neuen Femizids. In der Nähe von Palermo hatte ein 51-jähriger Mann seine 30-jährige Geliebte ermordet und in seinem Lieferwagen zu einer Müllhalde gebracht. Später soll er in seiner Stammbar gefrühstückt haben. Eine Videokamera hatte den Beginn der Gewalt im Garten eines Hauses aufgenommen. Ein Augenzeuge sah, wie der Mann mit einem Messer auf die Frau einstach. Sie war schwanger, im dritten Monat, sie soll mehrmals geschrien haben: "Hör auf, ich trage dein Kind in mir, ich liebe dich."

Der verheiratete Mann war vorbestraft, unter anderem für häusliche Gewalt. Als die Polizei ihn verhaftete, stritt er alles ab. Sieben Stunden lang, dann gestand er doch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4695172
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 25.11.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.