Süddeutsche Zeitung

China:Staatlich verordnete Kartoffeldiät

Lesezeit: 2 min

Von Lea Deuber

Chinas Staatsbetriebe produzieren seit Jahren Überkapazitäten in den traditionellen Industrien. Mit günstigem Stahl und Aluminium fluten sie die Weltmärkte und bringen damit weltweit Hersteller ins Wanken. Nun boomt auf staatlichen Befehl hin ein weiterer, bis dato wenig auffälliger Sektor im Land: der Kartoffelmarkt. Auslöser ist offenbar Chinas Programm zur Bekämpfung von Armut. Der nationale Wohlstand ist zwar seit der wirtschaftlichen Öffnung vor 40 Jahren enorm gewachsen, Millionen Menschen hat das Land aus der Armut befreit. Aber abseits der Großstädte ist die Not immer noch groß. Im Westen des Landes leben 30 Millionen Menschen von weniger als umgerechnet 80 Cent am Tag.

Präsident Xi Jinping hat die Armutsbekämpfung zu einem wichtigen Ziel seiner Politik erklärt. Milliarden investiert die Regierung jedes Jahr, um Infrastruktur in diesen Gebieten zu verbessern. Unternehmen winken Steuervergünstigungen, wenn sie sich in wirtschaftsschwachen Regionen engagieren. In einigen Regionen, wie im Kreis Meigu in der westchinesischen Provinz Sichuan, wurden Bauern beim Anbau von Kartoffeln unterstützt. Auch mit Geld von der Weltbank. Die Pflanze, die ursprünglich aus Lateinamerika stammt, ist robust und braucht deutlich weniger Wasser als Reis und Weizen. China leidet unter Wasserknappheit.

Im Kreis Meigu herrscht extreme Trockenheit, seit in den 1990er-Jahren dort viele Wälder abgeholzt wurden. Der staatliche Anbauplan war nun aber so erfolgreich, dass die Bauern nicht wissen, wohin mit all den Kartoffeln. China lässt sich nicht nur in Provinzen aufteilen, sondern auch anhand der Vorliebe bei den Sättigungsbeilagen: Im Norden essen die Menschen gerne weizenhaltige Speisen wie Mantou, eine Art chinesische Dampfnudel, und Nudeln. Im Süden gibt es hingegen kaum ein Gericht ohne Reis. Kartoffeln liebt man zwar landesweit. Allerdings am liebsten in Essig oder Öl getaucht und in Streifen geschnitten - als Gemüse.

Seit Längerem versucht die Regierung, ihrem Volk die Kartoffel schmackhaft zu machen. Das könnte nicht nur Bauern in trockeneren Gebieten das Einkommen sichern, sondern auch den Hunger der wachsenden Bevölkerung stillen, so Pekings Hoffnung. Dafür lässt der Staat Rezepte entwickeln und wirbt für den hohen Vitamin-C-Gehalt der Erdfrucht. Bisher scheinen sich die Menschen aber nicht von ihren Essgewohnheiten abbringen zu lassen.

Nun hat Peking seine Staatsunternehmen und Universitäten aufgefordert, die Bauern zu unterstützen. Betriebe kamen dem Appell nach, indem sie ihre Mitarbeiter einfach zum Kauf zwangen. Einige Universitäten stellten ihren Speiseplan für die Kantine um. Im westchinesischen Chengdu kaufte eine Hochschule wiederholt fünf Tonnen des Gemüses. Um diese loszuwerden, rief die Kantine Kartoffel-Festtage aus. Da man in China dreimal am Tag warm isst, bekamen die Studenten morgens, mittags und abends ein Buffet aus Kartoffeln, Pommes und Chips vorgesetzt. Nach anfänglicher Euphorie - ausgelöst durch das anscheinend besonders schmackhafte Kartoffelpüree - soll nicht wenigen Studenten die Lust an der Knolle vergangen sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4279106
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 09.01.2019
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.