Süddeutsche Zeitung

Busreisen:Berliner Polizei stoppt rollendes Wrack

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Von Antonie Rietzschel, Berlin

Bremsen sollte eigentlich ein lautloser Vorgang sein. Doch als Mario Gaede auf das Bremspedal tritt, entsteht ein lauter Pfeifton. "Hör auf!", ruft sein Kollege von draußen. Er hat Angst, dass gleich ein Bremszylinder reißt.

"Der Druck war so groß, man hätte damit einer ganzen Fußballmannschaft die Haare föhnen können", sagt Mario Gaede. Er ist Polizist und überprüft seit 30 Jahren Busse, Lkw und Gefahrguttransporter auf Verkehrstauglichkeit. Kaputte Lenkung, zerfressene Karosserie, verrostete Stoßdämpfer - alles schon da gewesen. Doch am vergangenen Donnerstag stoppen Gaede und sein Kollege ein rollendes Wrack.

Die beiden Polizisten sind auf dem Weg in den Feierabend, als ihnen ein dänischer Doppeldeckerbus in Berlin-Charlottenburg entgegenkommt. Im Lack sind Dellen, die Frontscheibe hat einen Riss. Die Polizisten wenden sofort. An Bord des Busses finden sie nur den Fahrer vor. Er soll 60 Jugendliche von einem Sportturnier abholen. Doch daraus wird nichts. Gaede kriecht mit einer Taschenlampe unter den Bus. "Sämtliche Stoßdämpfer sind kaputt, der Rahmen ist verrottet, die Scheiben gerissen", fasst er die äußeren Schäden zusammen. Hinzu kommt ein Leck im Toilettenablass.

Schließlich setzt sich Gaede auf den Fahrersitz. Fast 1,2 Millionen Kilometer hat der Bus auf dem Tacho. Das ist nicht ungewöhnlich. Es gibt Busse, die sind 40 Jahre alt und haben Millionen Kilometer gemacht - und sind doch verkehrstauglich, weil sie gut gepflegt sind. Auch die Herkunft des Reisebusses sagt nicht zwangsläufig etwas über den Zustand aus. Während der Grünen Woche in Berlin haben Gaede und seine Kollegen 18 Reisebusse beanstandet, vier zogen sie aus dem Verkehr. Die Fahrzeuge kamen allesamt aus Deutschland.

Bauschaum, um den Rost zu verdecken

Bei Bussen aus Dänemark, Schweden England oder Irland aber gibt es selten ein Mittelmaß, meint Gaede. "Die sind entweder hopp oder top." Der Doppeldecker ist hopp. Gaede muss kräftig am Lenkrad kurbeln, bis sich die Reifen bewegen. Schnelles Ausweichen ist mit diesem Gefährt unmöglich. Dazu kommen die pfeifenden Bremsen. Der Bus darf auf keinen Fall wieder auf die Straße.

Der Fahrer nimmt die Entscheidung gelassen hin. "Der wusste ganz genau um den Zustand des Busses und war froh, dass er die Hütte los war", sagt Gaede. Er kennt das schwierige Los der Fahrer. Wenn sie sich weigern, Busse in schlechtem Zustand zu fahren, riskieren sie ihren Job. Dafür setzen sie ihr Leben aufs Spiel - und das der Passagiere.

Gaede hält dem dänischen Unternehmen zugute, dass es schnell für Ersatzbusse sorgte. Die brachten die 60 Jugendlichen in ihre Unterkunft nach Brandenburg. Den Doppeldeckerbus ließ Gaede abschleppen, er steht mittlerweile auf der Prüfstelle der Dekra. Ein Gutachter wird bald das finale Urteil fällen. Dann muss das Bus-Unternehmen über das weitere Schicksal des Doppeldeckers entscheiden: Schrottplatz oder Werkstatt.

Der Bus aus Dänemark ist übrigens nicht das Schlimmste, was Gaede bei seinen Kontrollen schon gesehen hat. Vor drei Jahren kroch er unter einen Bus, dessen Rahmen von Rost zerfressen war. Damit das nicht so auffiel, hatte sich der Busunternehmer eine kreative Lösung ausgedacht: Er hatte die betroffenen Stellen mit Bauschaum besprüht und schwarz angemalt.

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Quelle:
SZ vom 01.04.2017
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