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Bundesgerichtshof:Einen trompetenden Nachbarn muss man aushalten

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Es gibt Instrumente, die sind weniger durchdringed als die Trompete. Die Blockflöte, zum Beispiel. Oder das Cembalo. Ungeachtet dessen, dass der Spielende bei den meisten Instrumenten natürlich Einfluss darauf nehmen kann, wie laut sein Instrument erklingt - selbst dann, wenn auf dem Notenblatt ein Fortissimo notiert ist, das ein kräftiges Spiel verlangt. Doch wie laut genau darf man auf seinem Instrument in den eigenen vier Wänden spielen, wenn auf der anderen Seite dieser Wände Menschen leben, die sich davon gestört fühlen könnten, etwa in einem Reihenhaus?

Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) an diesem Freitag befasst und ein Urteil gefällt. Demnach muss das Musizieren als übliche Freizeitbeschäftigung möglich sein. Es komme zwar immer auf den Einzelfall an, grundsätzlich aber dürfen Gerichte keine zu strengen Maßstäbe anlegen, urteilten die Bundesrichter.

Dem mit Spannung erwarteten BGH-Urteil vorausgegangen war ein jahrelanger Streit zwischen Nachbarn in Augsburg. Einer der Beteiligten ist Trompeter beim Staatstheater Augsburg. Er tat in in seinem Zuhause das, was viele Berufsmusiker tun: Er übte regelmäßig, zudem gab er dort Unterricht, im vorliegenden Fall zwei Stunden pro Woche. Zu hören war das viele Musizieren offenbar auch im Reihenhaus nebenan, Nachbarn fühlten sich gestört und zogen vor Gericht.

Ob jemand Berufsmusiker ist, spielt keine Rolle

Nach Auffassung des BGH müsse bei einer Beurteileung, ob eine richterlich einschränkbare Lärmbelästitung vorliege, immer auch die Art des Instruments, die wahrnehmbare Lautstärke im Nachbarhaus und mögliche Erkrankungen der Nachbarn berücksichtigt werden. Der für das Nachbarrecht zuständige fünfte Zivilsenat hält zwei bis drei Stunden an Wochentagen und ein bis zwei Stunden Musizieren an Sonn- und Feiertagen für angemessen. Ob ein Berufsmusiker übe, spiele keine Rolle. "Er kann nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte haben", sagte die Vorsitzende Richterin Christina Stresemann.

Im Zuge des Rechtsstreits hatte das Landgericht Augusburg zunächst eine Auflage gegen den Musiker verhängt. Demnach sollte er nur noch werktags zu bestimmten Zeiten in einem Übungsraum unter dem Dach spielen - insgesamt nicht mehr als zehn Stunden in der Woche. Gegen die Entscheidung hatte der Mann Revision eingelegt. Der Bundesgerichtshof verweitst den Fall nun zur Neuverhandlung an das Landgericht zurück. "Die Maßstäbe des Landgerichts sind zu streng", sagte Richterin Stresemann.

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