Süddeutsche Zeitung

Lottogewinn in Brasilien:Wenn Sozialisten plötzlich reich sind

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Von Christoph Gurk, Buenos Aires

Es war kurz nach 20 Uhr Ortszeit am Mittwochabend, als durch die Gänge der brasilianischen Abgeordnetenkammer in Brasília die ersten Freudenschreie schallten. Im Parlament lief gerade eine Abstimmung, es ging unter anderem um neue Transparenzregeln. Bald aber erfüllte Gemurmel den Saal, bis ein Abgeordneter das Mikrofon ergriff und allen Politikern den Grund für die Unruhe erklärte: Eine Tippgemeinschaft im Parlament habe gerade 120 Millionen Real im Lotto gewonnen - und die Gewinner seien allesamt Angestellte der Arbeiterpartei PT.

Dazu muss man wissen: 120 Millionen Real sind umgerechnet etwa 26 Millionen Euro, und das ist immerhin der sechsthöchste Gewinn in der Geschichte von Brasiliens größter Lotterie, der staatlichen Mega Sena. Die gibt es seit 1986, ähnlich wie beim deutschen Lotto werden jede Woche sechs Zahlen gezogen, Spieler können sich die Scheine dabei in Tippgemeinschaften teilen. Wie viele Gewinner es am Mittwoch exakt gab, ist darum noch nicht bekannt. Sicher scheint nur, dass keine Parlamentarier darunter sind. Stattdessen stammen die Spieler aus den unteren Reihen der Arbeiterpartei, es sind Putzfrauen, Sicherheitsmitarbeiter und Sekretärinnen. Einfache Angestellte also, die nun mit einem Schlag zu Millionären geworden sind.

Das wiederum passt gut, schließlich ist die PT nicht nur Brasiliens größte Oppositionspartei, sie steht auch für eine linke Politik und sozialistische Ideen. "Ich freue mich für die Genossen und Genossinnen, die in der Lotterie gewonnen haben", schrieb darum auch der PT-Abgeordnete Paulo Pimenta auf Twitter. "Gemeinsam und auf sozialistische Art!" Aus den Reihen der anderen Parteien gab es dafür Witze und hämische Bemerkungen. Er glaube, die Arbeiterpartei werde von nun an ihre Politik ändern, sagte zum Beispiel Aliel Machado von der rechtsgerichteten Sozialliberalen Partei, zu der auch Präsident Jair Bolsonaro gehört. "Ab jetzt wird die Arbeiterpartei wohl nicht mehr dafür sein, große Vermögen zu besteuern." Andere spekulierten darüber, ob die PT nun neue Angestellte brauche, weil die alten nach dem Gewinn alle ihre Kündigung einreichen würden. Tatsächlich erschienen laut einem Sprecher der PT am Donnerstag aber die meisten der Mitarbeiter zur Arbeit.

Rein rechnerisch bekommt jeder Gewinner eine halbe Million Euro. Manche Spieler hatten sich ihre Anteile aber untereinander noch einmal aufgeteilt, andere dagegen gleich mehrere auf einmal gekauft. Einer der größten Gewinne entfällt darum vermutlich auf einen Fahrer der Partei: Für seine sechs Anteile bekommt er drei Millionen Euro. "Ich fasse es nicht", sagte er der Zeitung O Globo. "Niemand kann einen auf so etwas vorbereiten." Andere Gewinner mussten wegen Bluthochdruck behandelt werden, eine Putzfrau fiel vor lauter Freude und Überwältigung in Ohnmacht. Der PT-Abgeordnete und ehemalige Gesundheitsminister Alexandre Padilha kümmerte sich um sie.

Nicht alle der rund 100 Angestellten der Arbeiterpartei haben sich an der Tippgemeinschaft beteiligt. Mindestens ein regelmäßiger Spieler hatte keinen Anteil gekauft, weil er im Urlaub war. Vier Putzfrauen mussten dagegen aussetzen, weil ihnen das Geld ausgegangen war. Der Rest der Spieler hat nun beschlossen, sie dennoch am Gewinn zu beteiligen. Hoch lebe der Sozialismus!

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Quelle:
SZ vom 21.09.2019
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