Süddeutsche Zeitung

Berlin:Opfer des Berliner U-Bahn-Treters: "Ich wollte mich nur noch zurückziehen"

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Von Verena Mayer, Berlin

Man erkennt die junge Frau sofort an ihrer Art zu gehen. Denselben, leicht federnden Gang hatte sie, als sie im Oktober vergangenen Jahres eine Treppe auf dem Berliner U-Bahnhof Hermannstraße hinablief. Sie wurde von hinten in den Rücken getreten und stürzte kopfüber die Betonstufen hinab, bis sie blutüberströmt und mit gebrochenem Arm auf dem Bahnsteig liegen blieb.

Eine Überwachungskamera hat die Attacke aufgezeichnet, das Video hat im Internet weltweit für Entsetzen gesorgt. Seit Anfang der Woche wird dem "U-Bahn-Treter" vor dem Berliner Landgericht der Prozess gemacht, der 28-jährige Svetoslav S. ist wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Am Donnerstag äußerte sich nun zum ersten Mal die Frau aus dem Video, Jana K., 26 Jahre alt, Studentin. Eine schmale junge Frau, um die Schultern trägt sie einen dicken schwarzen Schal, als wolle sie sich gegen etwas wappnen.

"Wie geht es Ihnen?", fragt die Richterin. "Nicht so gut", sagt Jana K. Sie spricht langsam und stockend, jeder Satz fällt ihr schwer. K. war auf dem Nachhauseweg von einer Freundin, als sie eine S-Bahn verpasste und hinunter auf den U-Bahnsteig wollte, um sich aufzuwärmen. S., der mit seinen Brüdern unterwegs war und hinter ihr herging, hat sie nicht bemerkt, "ich habe Musik gehört und war total in Gedanken verloren". An den Sturz kann sich Jana K. nicht mehr erinnern, nur, dass sie sich im Fallen dachte, "was ist da los, ich bin doch gar nicht gestolpert".

Fahrgäste kamen ihr zu Hilfe, holten Polizei und Krankenwagen. Die Verletzungen waren nach einigen Wochen verheilt, an den psychischen Folgen leidet sie bis heute. Sie habe Angst, alleine unterwegs zu sein, erzählt Jana K., sobald sie eine Treppe sehe, halte sie sich irgendwo fest. Nach dem Tritt konnte sie nicht mehr weiterstudieren, das öffentliche Interesse setzte ihr zusätzlich zu. "Als das Video bekannt wurde, wollte ich mich nur noch zurückziehen." Vier Monate lange habe sie nichts gemacht, "was mit der Außenwelt zu tun hat".

Svetoslav S. steht auf, die Hände gefaltet. "Ich entschuldige mich, dass ich dir Schmerzen zugefügt habe", sagt er, "es tut mir so leid, alles tut mir weh, meine Hände und Füße zittern." K. sagt nichts darauf, sie lässt ihre Rechtsanwältin antworten. Sie könne die Entschuldigung nicht annehmen, solange er nicht die Verantwortung für die Tat übernehme. Das Urteil soll kommende Woche fallen.

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Quelle:
SZ vom 30.06.2017
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