Süddeutsche Zeitung

Australien:Verheerende Buschbrände bedrohen Sydney

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Die Feuerwehr hat pinkfarbene Brandschutz-Chemikalien über die Vororte der Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt versprüht und spricht von einer "katastrophalen Lage".

Von Oliver Klasen

Der 11. November 2019 hätte in die Geschichte Australiens eingehen können, als der erste Tag seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, an dem auf dem Festland, also mit Ausnahme Tasmaniens, kein einziger Tropfen Regen fiel. So hatte es die nationale Meteorologiebehörde vorausgesagt - ein höchst ungewöhnliches Szenario für einen Kontinent von diesen Ausmaßen.

In Ferny Creek nahe Melbourne fielen entgegen der Voraussage dann doch fünf Millimeter Regen vom Himmel. Das noch nie da gewesene Ereignis ist also nicht eingetreten. Doch das ist nebensächlich dieser Tage in Australien. Im Osten des Landes, in den Bundesstaaten New South Wales und Queensland, toben Buschbrände, die derart verheerend und gefährlich sind, dass Shane Fitzsimmons, der Feuerwehrchef des Bundesstaates New South Wales, von einer "katastrophalen Lage" spricht, "jenseits dessen, was wir bisher kannten".

Bis zu 300 Brandherde haben die Behörden gezählt, etliche Feuer sind außer Kontrolle. Temperaturen von fast 40 Grad und extreme Trockenheit verschlimmern die Situation, dazu fachen starke Winde die Feuer immer wieder an. Mittlerweile sind 10 000 Quadratkilometer von den Flammen erfasst, eine Fläche halb so groß wie Hessen. Mehr als 150 Häuser wurden zerstört, Tausende Bewohner mussten aus ihren Wohnungen fliehen, mindestens drei Menschen kamen ums Leben. Die Behörden in New South Wales riefen den Notstand aus und hielten am Dienstag Hunderte Schulen geschlossen. Das australische Militär bereitet sich auf den größten Einsatz in Friedenszeiten vor.

Die Buschbrände bedrohen auch die Fünf-Millionen-Einwohner-Stadt Sydney. Dort fressen sich die Flammen durch einen Eukalyptuswald, etwa 15 Kilometer vom Zentrum entfernt. Auf Bildern aus den Vororten sieht man Häuser, Straßen, Bäume und Autos, die mit einer pinkfarbenen Masse überzogen sind. Es ist eine Chemikalie, die die Feuerwehr versprüht hat, um die Ausbreitung des Feuers zu verhindern. Feuerwehrchef Fitzsimmons rief die Bewohner auf, sich rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. Es sei extrem gefährlich, gegen den Rat der Behörden im Haus zu bleiben. "Wir können nicht garantieren, dass zu jedem brennenden Haus ein Löschfahrzeug kommt, und wir können auch nicht garantieren, dass jemand an Ihre Tür klopft, um Sie zu warnen."

Eigentliche Waldbrandsaison beginnt erst noch

Buschbrände sind in Australien ein häufiges Phänomen, doch diesmal ist es so ernst, dass der konservative Premier Scott Morrison unter Druck gerät. Das Land leidet unter einer beispiellosen Dürre; es gibt Orte, an denen es seit beinahe drei Jahren nicht geregnet hat. Kaum irgendwo sind die Folgen der Klimakrise so deutlich zu spüren. Erst vor wenigen Wochen wurde ein UN-Bericht veröffentlicht, der mit neuen Daten belegte, wie sehr das Great Barrier Reef, ein einzigartiges Ökosystem vor der Ostküste des Landes, inzwischen zerstört ist. Doch die Regierung lässt sich davon nicht beeindrucken. Sie fördert Kohlegruben und hat sich nur minimale Klimaziele auferlegt.

2017 legte Morrison, damals noch Finanzminister, im Parlament provokant ein Kohlebrikett auf das Rednerpult und sagte, von einem solch wertvollen Rohstoff sei "nichts zu befürchten". Jetzt sagt sein Stellvertreter, Michael McCormack, die Menschen, die vom Feuer vertrieben wurden, bräuchten "keine Schwärmereien irgendwelcher aufgeklärter Grün-Bewegter, die nur die reine Lehre vertreten".

Ein hingeworfener Satz eines Politikers, der glaubt, die aufkommende Debatte ersticken zu können wie ein loderndes Feuerchen, das leicht unter Kontrolle zu bringen ist. Doch es ist Frühjahr in Australien. Die eigentliche Waldbrandsaison, sie hat noch gar nicht begonnen.

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Quelle:
SZ vom 13.11.2019
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