Süddeutsche Zeitung

Anklage gegen A$AP Rocky:Die Schlägerei, die sich zur internationalen Affäre auswuchs

Lesezeit: 3 min

Von Kai Strittmatter, Stockholm

Nach 27 Tagen Untersuchungshaft für die Angeklagten, den US-amerikanischen Rapper A$AP Rocky und zwei Begleiter aus seiner Entourage, begann am Dienstag der Prozess: Verhandelt wird im Hochsicherheitssaal des Stockholmer Bezirksgerichts eine Schlägerei in den Straßen von Stockholm am 30. Juni, die sich seither zu einer internationalen Affäre ausgewachsen hat. US-Präsident Donald Trump intervenierte bereits mehrfach bei der schwedischen Regierung. Laut Auskunft des Gerichts hat man den Ort für das Verfahren gewählt, weil er groß genug ist, um dem Publikumsansturm gerecht zu werden. Allein 70 Journalisten von 40 internationalen Medien haben sich akkreditiert.

Der 30-jährige Rakim Mayers, wie A$AP Rocky mit bürgerlichem Namen heißt, erschien in grüner Gefängniskluft im Gerichtssaal und beteuerte gleich seine Unschuld. Mayers stammt aus dem New Yorker Stadtteil Harlem. Er stand mehrfach an der Spitze der Charts und war zweimal für einen Grammy nominiert. In Stockholm war er gebucht für das Hip-Hop-Festival "Smash". Ein paar Tage vor dem Konzert kam es zum Streit mit einem 19-Jährigen und dessen Begleiter.

Zuerst in einem Stockholmer Hamburger-Lokal, später auf der Straße. Der 19-Jährige trug Schnitt- und Prellwunden und eine angebrochene Rippe davon. A$AP Rocky und seine Begleiter sagen, die beiden Jugendlichen hätten sie belästigt und provoziert, die Schläge seien Selbstverteidigung gewesen. Der verletzte Jugendliche und der Staatsanwalt sprechen hingegen von exzessiver Gewalt, die von der Gruppe des Musikers ausgegangen sei. Unter anderem hätten sie den 19-Jährigen zu Boden geworfen, getreten und mit einer zerbrochenen Flasche angegriffen. Im Vorfeld waren Videoclips des Vorfalls auch vom Team des Musikers in sozialen Medien gepostet worden, der Staatsanwaltschaft zufolge waren diese Clips allerdings zuvor geschnitten und "gesäubert" worden.

Vorwurf des vorsätzlichen Angriffs

Die Staatsanwaltschaft schreibt in der Anklage, sie könne beweisen, dass A$AP Rocky und seine Begleiter den 19-Jährigen "vorsätzlich, gemeinsam und verabredet" angegriffen hätten, sie spielte dem Gericht am ersten Prozesstag noch mehr Videoaufnahmen vor.

Bei einer Verurteilung drohen den Angeklagten im Höchstfall zwei Jahre Haft, allerdings gehen die meisten Beobachter von einem weit milderen Urteil aus. Nicht gerade der Stoff, der gewöhnlich für internationale Verwerfungen sorgt. A$AP Rocky allerdings hat prominente Freunde: Vom Ehepaar Kanye West und Kim Kardashian bis hin zu Justin Bieber empörten sich viele Stars vor allem über die in ihren Augen unverhältnismäßige Untersuchungshaft. Bald wurde der Vorwurf des Rassismus laut.

Und auf Twitter fordern Fans einen Boykott von Ikea, Volvo und Spotify. Vor allem Schwedens Botschafterin in Washington, Karin Olofsdotter, hatte viel zu tun, den Kritikern das schwedische Justizsystem zu erklären, das eine Kaution wie in den USA nicht kennt und in dem auch andere Maßnahmen wie die Beschlagnahmung von Reisepässen kaum angewendet werden. Man landet als Ausländer in Schweden sehr schnell und unter Umständen sehr lange in Untersuchungshaft. Das wird auch in Schweden selbst mittlerweile von vielen als Missstand angesehen - aber auch die heimischen Kritiker sind sich einig: A$AP Rocky wird nicht anders behandelt als Tausende andere Ausländer auch.

Die Schweden fühlen sich also zu Unrecht angegriffen. Vor allem erregen sie sich über die Interventionen von US-Präsident Trump, der über Twitter und auch in einem Telefongespräch den schwedischen Ministerpräsidenten Stefan Lövfen mehrfach aufforderte, A$AP Rocky freizulassen, eine Aufforderung, die dieser unter Verweis auf die Unabhängigkeit der Justiz cool parierte: Er sei "stolz darauf, in einem System zu leben, wo der Ministerpräsident einen Prozess nicht beeinflussen kann", sagte Löfven vor Beginn des Prozesses erneut. Eine Haltung, die Trump wiederum "tief enttäuscht" mit beleidigenden Tweets quittierte, in denen er Schweden attestierte, es habe "die schwarze Gemeinde in den USA im Stich gelassen".

Was nicht unbeobachtet blieb, war die Tatsache, dass Trump sein Herz zumindest für die VIPs der schwarzen Gemeinde just in dem Moment entdeckte, da er selbst Rassismusvorwürfe abwehren muss. "Trump schlachtet den Fall für seinen Wahlkampf aus", so die Zeitung Göteborgs-Posten. Es werden wohl mehr Schweden-Tweets Trumps folgen: Ein Urteil wird in den kommenden Wochen erwartet.

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SZ vom 31.07.2019
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