Süddeutsche Zeitung

Archäologie:Maya-Megalopolis

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Forscher entdecken 60 000 Ruinen im Dschungel Guatemalas. Der spektakuläre Fund deutet darauf hin, dass die Region um ein Vielfaches dichter von den Mayas besiedelt war, als angenommen.

Von Christian Weber

Archäologen gelten heutzutage eher als genügsame Menschen. Sie wühlen sich über Jahre mit größter Sorgfalt durch die Erde, um ein paar Scherben, Zähne oder Knochen zu finden, mit etwas Glück auch mal ein Skelett. Aus diesen Funden holen sie dann mit allen Kniffen der modernen Technik, etwa mit Gen- und Isotopen-Analysen, durchaus spannende Informationen. So weiß man jetzt so ungefähr, was auf dem Speiseplan der Neandertaler stand. Aber die Zeit der spektakulären Entdeckungen galt eigentlich als abgeschlossen. Bis jetzt.

Wenn unabhängige Experten bestätigen, was die gemeinnützige Pacunam Stiftung (Fundación Patrimonio Cultural y Natural Maya) jetzt in Guatemala City bekannt gegeben hat, hat ein internationales Team von Archäologen im Bundesstaat Petén im Norden des mittelamerikanischen Landes eine wirklich spektakuläre Entdeckung gemacht: Die Forscher haben auf einer Fläche von mehr als 2100 Quadratkilometern rund 60 000 Ruinen von Palästen, Pyramiden, Plazas, einfachen Wohnhäusern und andere Bauwerken identifiziert, die sie der untergegangenen Maya-Kultur zuschreiben.

"Ich glaube, es handelt sich hier um einen der größten Erfolge in der Maya-Archäologie seit mehr als 150 Jahren", sagte Stephen Houston von der amerikanischen Brown University der BBC. Möglich wurde dieser Fund erst durch die Hilfe der sogenannten Lidar-Technologie, eine Art Laserscanner, mit dem man vom Flugzeug unter das Blätterdach des Dschungels sehen und versteckte Strukturen erkennen kann.

Dabei ist nicht neu, dass in der Region früher vor mehr als tausend Jahren die Maya-Kultur blühte. So liegt mitten in dem jetzt untersuchten Gebiet die antike Stadt Tikal, seit Langem bekannt als eine der wichtigsten Städte der klassischen Maya-Periode vom dritten bis neunten Jahrhundert. Doch glaubte man bislang, dass im Umkreis der Metropole maximal 200 000 Menschen lebten; den neuen Erkenntnissen zufolge könnten es eine Million gewesen sein. Insgesamt wurde die Maya-Bevölkerung früher auf fünf Millionen Menschen geschätzt. "Mit den neuen Daten wäre es jetzt aber durchaus nicht abwegig, von zehn bis 15 Millionen Menschen auszugehen - von denen viele in den tief liegenden, sumpfigen Gebieten lebten, die viele von uns für unbewohnbar hielten", sagt der Archäologe Francisco Estrada-Belli von der Tulane University.

Die vielen militärischen Bauten deuten auf kriegerische Zeiten hin

Offenbar, und das ist eine zweite Einsicht aus dem Forschungsprojekt, hatten die Mayas noch komplexere Strukturen aufgebaut als bislang gedacht. So haben die Wissenschaftler mithilfe der Lidar-Kartierung eine stark vernetzte Gesellschaft vermessen, in der alle wichtigen Städte mit sogenannten Hochstraßen verbunden waren. Sie verliefen über Dämme, sodass sie auch zu Überschwemmungszeiten benutzt werden konnten. Deren Breite deutet auf einen regen Handel. Zugleich waren es wohl auch kriegerische Zeiten, so erklären die Archäologen eine überraschend große Zahl militärischer Bauten.

Eine eher traurige Pointe ist, dass vor den Forschern doch schon andere Menschen von den vergessenen Ruinen wussten: Die Lidar-Aufnahmen zeigen jede Menge Gruben, die wohl von Plünderern stammen.

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Quelle:
SZ vom 05.02.2018
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