Süddeutsche Zeitung

Zweiter Weltkrieg:Lebensrettender Ungehorsam

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Major Karl Luber hat Wolfratshausen am 30. April 1945 kampflos an die Alliierten übergeben und somit Schlimmeres verhindert. Auf Initiative von Zeitzeugen soll eine Gedenktafel an der Andreasbrücke an ihn erinnern - und an die Männer, die diese Brücke vor der Sprengung bewahrten.

Von Konstantin Kaip, Wolfratshausen

Es ist Major Karl Luber zu verdanken, dass der letzte Tag des Zweiten Weltkriegs in Wolfratshausen ein glimpfliches Ende hatte. Der Bataillonskommandeur der Landesschützen sollte die Region bis zuletzt vor den einmarschierenden Alliierten verteidigen, weigerte sich jedoch, diesen Befehl auszuführen. Am 30. April 1945 trat er den amerikanischen Soldaten um 19.30 Uhr mit weißer Fahne entgegen und bot die Kapitulation an. Zuvor hatte er dem Vize-Mesner Ignaz Leb und der Mesnerswitwe Karoline Engelhardt das Leben gerettet, weil er sie in "Schutzhaft" nahm und so vor der Erschießung durch die SS bewahrte. Und er trug dazu bei, dass die Andreasbrücke nicht gesprengt wurde. Dort auf der Brücke soll sein Verdienst für die Stadt nun gewürdigt werden, in Form einer Gedenktafel.

Gefordert haben dies zwei Zeitzeugen, die den entscheidenden Tag als Kinder in direkter Nähe der Brücke verbracht haben: Christian Steeb, der die letzten Kriegstage und Lubers Wirken mit akribischer Recherche und Zeitzeugenbefragung in einem Buch nachgezeichnet hat, und Hans Reiser. "Wir verdanken Luber unser Leben", sagt Steeb. "Er hat unter Lebensgefahr Wolfratshausen gerettet." Schließlich habe Luber nicht nur erbitterte Endkämpfe und verheerende Fliegerangriffe verhindert, sondern auch die geplante Sprengung der zweiten Loisachbrücke - 100 Meter entfernt von dem Garten, in dem er an diesem Tag gespielt habe, so Steeb.

Bei der Stadt stieß der Antrag auf Wohlwollen. Entschieden ist aber noch nichts. Der Kulturausschuss hat den Antrag am 4. März beraten - allerdings in nicht öffentlicher Sitzung. Bürgermeister Klaus Heilinglechner begründet dies damit, dass es um Personen gehe, und solche Anliegen zunächst immer nicht öffentlich vorberaten würden. Der Antrag werde jedoch in jedem Fall noch öffentlich im Stadtrat debattiert. Ob das schon im April geschehe, sei aber fraglich. Zuvor müssten schließlich noch einige Fakten geklärt werden. "Es wird geprüft, wie das Andenken aussehen soll", erklärt die Dritte Bürgermeisterin Annette Heinloth (Grüne), die die Ausschuss-Sitzung geleitet hat. Und Rathauschef Heilinglechner ergänzt: "Es war ja nicht nur Luber, der die Brückensprengung verhindert hat."

Steeb begrüßt, dass auch die vier "Brückenhelden" gewürdigt werden sollen, von denen er in seinem Buch berichtet: Unter Führung des von den Nazis abgesetzten und später von den Amerikanern wieder eingesetzten Bürgermeisters Johann Winibald hätten Ernst Winkelmeier, der Gärtner Otto Schuck, Haderbräu-Wirt Josef Jäger und Kaspar Obermaier am Vormittag des 30. April die von den Pionieren bereitgelegten Sprengstoffkisten von der Brücke in die Loisach geworfen. Nachdem ein älterer Herr sie verraten habe, hätten sie sich verstecken müssen. Auch sie, sagt Steeb, hätten ihr Leben riskiert.

Dem Vernehmen nach soll sich nun eine Arbeitsgruppe um die Form des Gedenkens kümmern, der auch Steeb angehören soll. Der 81-jährige Wolfratshauser wünscht sich, dass auf der Brückentafel auch ein Bild von Luber zu sehen ist, "damit man sieht, wie er ausschaut" - etwa in Form eines Medaillons. "Es sollte aber ein Foto in Uniform sein", betont der Hobbyhistoriker. Das friedliche Kriegsende in Wolfratshausen habe Luber schließlich "nur durch seine Position und Machtbefugnis durchsetzen können".

Der Mediziner Karl Luber, der 1977 starb, war nach dem Krieg lange Leiter der Bayerischen Ärzteversorgung. Für seine Verdienste dort wurde er mehrfach ausgezeichnet. Steeb hat bei seinen Recherchen auch Kontakt mit deren heutiger Leitung gehabt. Diese lege großen Wert darauf, zur Einweihung der Gedenktafel eingeladen zu werden, sagt er. "Für sie war dieses Vorleben von ihm völlig unbekannt."

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SZ vom 20.03.2021
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