Süddeutsche Zeitung

Zum Stadtjubiläum:Der Maler und die Revolution

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Das Museum Penzberg verknüpft in zwei Ausstellungen die Stadthistorie mit dem Schaffen von Heinrich Campendonk und dessen Zeitgenossen. Eröffnung ist an diesem Samstag

Von Julian Carlos Betz, Penzberg

Der Blaue Reiter und das Voralpenland, Franz Marc, Wassily Kandinsky und das jüngste Mitglied Heinrich Campendonk: Diese vielerorts präsente Verbindung von Kunst und Historie, Landschaft und Persönlichkeit ist so facettenreich wie ergiebig. Um das einmal mehr zu beweisen, eröffnet das Museum Penzberg anlässlich des Jubiläums zu 100 Jahren seit Stadterhebung gleich zwei neue Ausstellungen zum Thema, "Campendonk und die Revolution" sowie "Stadt statt Stillstand" rund um das Jahr 1919. Ein Sommerfest am Samstag, 20. Juli, mit Vortrag, Lesung und Konzert soll den Eröffnungsakt begleiten.

Nach nur einem halben Jahr Vorbereitungszeit sei es ihnen mit viel Mühe gelungen, diese "Triple-Ausstellung" zu realisieren, erzählt Diana Oesterle, eine der beiden Museumsleiterinnen und Verantwortliche für die Exponate der Campendonk-Ausstellung. Denn zusätzlich zu den beiden Sonderausstellungen im Stadtmuseum gebe es auch noch einen dritten Part im Penzberger Bergwerksmuseum. "Penzberg hat nicht nur ein Museum", betont sie mit Verweis auf die Bedeutung der Kohle-Industrie für die Stadt. Doch die Geschichte Penzbergs bestehe eben nicht nur aus diesem wichtigen Teilstück, die Menschen damals seien auch "Überlebenskünstler" gewesen. Und damit ist gleich das Stichwort für das neue Konzept gegeben: die Verbindung von sozialem Leben, politischen Umwälzungen und dem künstlerischen Prozess.

Bereits die Räume zu den Umständen der Novemberrevolution von 1918/19, der Ausrufung der Räterepublik und der Ermordung des damaligen Ministerpräsidenten Kurt Eisner offenbaren einen überraschenden Ansatz. Neben den expressionistisch gehaltenen Farben und Formen rückt die "Raumerfahrung" selbst in den Vordergrund, so die Münchner Szenografin Monika Müller-Rieger, die an der Konzeption beteiligt war. Wandvorbauten und eine an den Kunstwerken in der benachbarten Campendonk-Ausstellung orientierte Ästhetik sollten der medialen Konkurrenz zu Buch und Internet Rechnung tragen, erklärt sie.

Inhaltlich beschäftigen sich die historischen Kapitel sowohl mit der noch vor dem Attentat auf Eisner genehmigten Erhebung Penzbergs zur Stadt im Jahre 1919 - die laut Autorin der Texte und Leiterin der Stadtbücherei Katrin Fügener recht glücklich verlaufen ist, denn sonst hätte man womöglich noch viel länger darauf warten müssen - als auch mit der Revolution von 1918, die eben "nicht vom Volk, sondern von den Künstlern, der Bohème" ausgegangen sei, so Fügener. Als "roter Faden" habe ihr dabei das Thema Frauenrechte gedient, 2019 sei schließlich auch das Jubiläumsjahr des Frauenwahlrechts.

Die Exponate in der Campendonk-Ausstellung selbst stammen jedoch ausschließlich von männlichen Künstlern jener Zeit. Oesterle bedauert diesen Umstand sehr. Ihre Bemühungen aber seien vor allem daran gescheitert, dass die überlieferten Werke von Künstlerinnen in den diversen Museumsdepots einen so schlechten Zustand aufwiesen, dass man sie einfach nicht zeigen könne, erklärt sie. Hier sei also erst einmal Restaurationsarbeit gefragt.

Dennoch ist einiges zu sehen in den sorgfältig gestalteten Räumlichkeiten um Campendonk und seine Zeitgenossen wie Otto Mueller oder Albert Bloch: Zeugnisse der Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen des Penzbergers Proletariats belegen das Interesse des in den Jahren von 1916 bis 1922 in Seeshaupt weilenden Künstlers. Campendonk habe vom Land aus eifrig an den aufschießenden Ideen und utopischen Modellen teilgehabt, wie sie in den Monaten nach der Revolution bis zur Niederschlagung derselben virulent waren, erklärt Oesterle. Im Vordergrund habe für ihn vor allem die Universalisierung der Kunst an sich gestanden, die künstlerische Schöpfung sollte als Prinzip Einzug halten in den Lebensalltag der Menschen und dabei im Sinne von Kunsthandwerk und dem ebenfalls 1919 von Walter Gropius gegründeten Bauhaus die unmittelbare Wirkungssphäre jedes Bürgers betreffen. Beispielhaft zu sehen sind in der Ausstellung daher einige fein gearbeitete Gegenstände von der Hand Campendonks wie eine Ostereier-Kette oder der mit Ölfarben bemalte Deckel einer Dose.

Ein für die Penzberger Ausstellung zentrales Werk Campendonks mit dem schlichten Titel "Blumenbild" diente dem Künstler als Beitrag für eine revolutionäre Broschüre. Das Aufkeimen der Pflanzen, die Hoffnung auf Veränderung vor dem Hintergrund des erschütterten gesellschaftlichen Fundaments gehen einher mit Werken wie Blochs "Interieur", in denen das Unglück und die Armut der Zeit unmittelbar nach Ende des großen Krieges zu sehen sind. Die Zeit des Umbruchs mündete für Heinrich Campendonk laut Oesterle schließlich in eine Phase des Rückzugs und in die Entdeckung idyllischer Motive. Ein Weg, der sich in den äußeren Umständen der frühen 1920er Jahre nicht widergespiegelt hat.

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SZ vom 20.07.2019
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