Süddeutsche Zeitung

Interview mit Planungs-Kritiker:"Dann stehen wir wieder bei Null"

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Hans Gärtner hat mit dafür gesorgt, dass die S 7-Verlängerung noch einmal überarbeitet wurde. Über Kritik an den jetzt vorliegenden Plänen äußert er Verständnis - betont aber, wie wichtig der S-Bahnausbau für die Region ist.

Interview von Konstantin Kaip und Florian Zick

Der gelernte Kommunikationsdesigner Hans Gärtner hat mit seinem Vorschlag für eine Tunnellösung am Wolfratshauser Bahnhof 2014 mit dafür gesorgt, dass die S-Bahnverlängerung nach Geretsried noch einmal auf den Prüfstand gekommen ist. Die nun vorliegende Planung gefällt dem 63-Jährigen sehr gut. Aber auch gegen die überarbeitete Fassung gibt es natürlich Widerstand. Am Sonntag haben sich in Wolfratshausen erneut Betroffene des S 7-Ausbaus getroffen. Im Interview erklärt Gärtner sein Verständnis für die Planungskritiker und spricht über Kommunikationsversäumnisse in den Rathäusern.

SZ: Herr Gärtner, hat es Sie überrascht, dass so viele Einwendungen gegen die Planung zur S-Bahnverlängerung erhoben werden?

Hans Gärtner: Irgendwie schon - und andererseits auch nicht. Bei den Geltinger und Geretsrieder Bauern war die Situation ja klar, die trifft es teilweise hart. Ansonsten habe ich mir die Pläne genau angeschaut und war, was Wolfratshausen betrifft, fast ein wenig euphorisch gestimmt.

Was gefällt Ihnen an der Planung?

Der Bahnhof in Wolfratshausen ist gut geworden. Da war bei der Grobplanung von 2014 an der Sauerlacher Straße ja eine scharfe Kante vorgesehen. Der Tunnel sollte bis zur Straße hin offen liegen. Dann wäre direkt neben dem Busbahnhof ein Loch gewesen. Jetzt wurde die Tunneldecke ein Stück Richtung Bahnhofsgebäude vorgezogen. So entsteht eine schöne Fläche, die sich mit dem Busbahnhof verbindet. Da gibt es nicht mehr so eine Enge an der Straße. Und auch die Radwegführung zum Bahnhof ist sehr gut gestaltet.

Sie sind also zufrieden?

Was das größte Wolfratshauser Problem anbelangt, sieht die Planung schön aus. Allerdings ist der Tunnel aus betrieblichen Gründen zweigleisig. Die Begegnung von zwei Zügen unter der Erde ist natürlich die teuerste Lösung.

Warum wurde denn das Begegnungsgleis nicht oberirdisch realisiert?

Ganz unabhängig von der Verlängerung ist es natürlich ein großes Ziel, die S 7 zuverlässiger zu machen. Da schafft natürlich jede Ausweichstelle bei Störungen Spielraum. Ob das betriebstechnisch auch oberirdisch möglich wäre, weiß ich nicht. Aber um Geld zu sparen, hatte ich vorgeschlagen, an der Königsdorfer Straße lieber oben drüber statt unten durch zu gehen. So hätte man das Trogbauwerk eingleisig und so kurz wie möglich halten können.

Jetzt geht es an der Königsdorfer Straße unten durch - und einigen Anliegern der Geltinger Straße wäre es sicher recht, wenn die Strecke noch länger unterirdisch verlaufen würde. Mehrere Firmen dort müssen wegen Lärmschutzbauten erheblich Grund abtreten. Manche wissen gar nicht, wie sie ohne diese Flächen ihren Betrieb weiterführen sollen.

Ja, Planer sind hart gesotten und da ziemlich cool. Ich habe mir die Situation in der Geltinger Straße selbst mal angeschaut. Da sind schon ziemliche Härtefälle dabei.

Bislang ist offenbar weder von der Stadt noch von der Bahn jemand auf die Leute zugegangen. Die haben aus den Plänen erfahren, was ihnen dräut.

Da muss man unterscheiden. Es ist klar, dass die Planer der Bahn erst einmal warten, wie die Leute reagieren. Die Stadt, finde ich, sollte aber nicht nur sagen: Wer Probleme hat, der kann jetzt im Planfeststellungsverfahren eben seine Einwendung schreiben. Gerade die jetzt vorliegenden Pläne sind im Vergleich zu den früheren schon sehr genau. Und je technisch detaillierter sie sind, desto schwerer sind sie für Laien zu lesen. Die Bürger brauchen da Unterstützung von der Stadt. Sachverständige vom Bauamt könnten mit ihnen die Pläne durchsehen und nach möglichen Lösungen suchen.

Auch, damit das Projekt schneller realisiert wird?

Auch das, ja. Momentan gibt es - vor allem wegen der geplanten Tesla-Fabrik in Brandenburg - ja laute Rufe nach einem Planungsbeschleunigungsgesetz. Wenn man schlecht plant und das auch noch schneller, kommt dabei aber nichts Besseres heraus. Ich glaube aber, dass man anhand der S 7-Planung lernen kann, dass sich die Kommunen, die Mandatsträger und wir alle uns früher und aktiver einschalten müssen. Statt sich nur mit weichen Knien irgendwelche Präsentationen anzuhören, sollten wir uns daran erinnern, dass wir und unsere Kommunalparlamente es sind, die auch politische Vorgaben machen können, etwa, ob die Trasse Gelting oder besser Waldram bedienen hätte sollen.

Sie waren auch beruflich mit Planungen befasst. Wie lange dauert es wohl, bis mit dem S 7-Ausbau losgelegt werden kann?

Erfahrungsgemäß dauert bei diesem Projekt alles immer deutlich länger als geplant. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Außer vielleicht: Da sind auch die Rathäuser gefordert. Die Bahn muss im Nacken den heißen Atem der Kommunalpolitiker spüren. Man muss sehen, dass diese Region das Projekt will.

Steht das denn in Zweifel?

Naja, es gibt schon Leute, die nicht glauben, dass die S-Bahnverlängerung jemals kommen wird. Viele meinen auch, Busse würden ausreichen. Manche haben ganz andere Fantasien, die träumen von einer Stadtbahn oder gar einer Seilbahn. Was solche Alternativen betrifft, sollte man aber bedenken: Wenn das mit der S-Bahn jetzt nichts wird, steht alles auf Null. Und egal ob wir dann eine Stadtbahn oder eine Seilbahn bauen, brauchen wir Minimum noch einmal 15 Jahre, bis wir überhaupt wieder soweit sind wie jetzt. Und man braucht auch nicht meinen, dass es da dann keine Widerstände gibt. Eine Seilbahn führt über Gärten, wo sich die Leute beim Sonnen nicht auf den Bauch schauen lassen wollen.

Es gibt für Sie also keine Alternative.

So ist es. Die S-Bahn über das Industriegleis zu führen, was einige immer noch für realistisch halten, geht übrigens gar nicht. Man müsste dann ja die Schießstättstraße untertunneln, unter der B 11 und unter dem Kanal durch. Das wären Tunnelbauwerke von ungeheurer Länge und Tiefe. Finanziell utopisch! Das einzige, was ginge, ist, dass man die Trasse, die jetzt geplant ist, näher an Waldram führt - mit einem Halt westlich von der B 11.

Wäre das sinnvoll aus Ihrer Sicht?

Ich habe 2013 eine entsprechende Einwendung geschrieben. Wenn man 4000 Haushalte in Waldram liegen lässt, ist das für den sogenannten NKU-Wert , also das Kosten-Nutzen-Verhältnis, nicht optimal.

Und die landwirtschaftlich genutzten Felder würden nicht so zerschnitten?

Zerschneiden muss man immer, aber man könnte schauen, dass es nicht so schlimm kommt. Bei den Bauern ist das Problem ja, dass durch die Trassenführung die Felder so zerteilt werden, dass man diese kaum noch bewirtschaften kann.

Könnte man nicht eine Art kleine Flurbereinigung machen?

Ja, wir hatten auf dieser Fläche ja noch keine Flurbereinigung. Das ist ein richtiger Flickenteppich. Man müsste dabei gegenüber den Bauern aber auch einfach mal so ehrlich sein, zu sagen, was auf den Flächen in Zukunft gewünscht ist. Sollen da dann überall Wohnungen hin oder soll da weiter Ackerbau betrieben werden. So ein Minimum Respekt muss man vor den Landwirten schon haben. Wir alle essen schließlich nicht Beton und Eisen.

Sie fordern also mehr Transparenz?

Ja, wozu man bisher zum Beispiel noch gar nichts gehört hat, sind die Kosten. Es existiert jetzt eine tolle Planung, aber keine Kostenschätzung dazu. Die müssten wir aktiv einfordern. Geretsried und Wolfratshausen haben finanziell schließlich noch viele andere Aufgaben zu schultern. Nicht, dass am Ende dann alle in Ohnmacht fallen, wenn die Zahlen auf den Tisch kommen, und es dann heißt: Das Projekt ist tot. Das wäre Politikversagen ersten Ranges.

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Quelle:
SZ vom 09.03.2020
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