Süddeutsche Zeitung

Wandel in Münsing:Das Verschwinden der Bauernhöfe

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Der Dorfkern verändert sich. Neue Architektur entsteht

Auch wenn sich oft kaum etwas zu verändern scheint: Die menschliche Entwicklungsgeschichte ist eine des fast ununterbrochenen Bauens und Umgestaltens. "Es gab eigentlich nie Stillstand", sagt Vinzenz Dufter. "Außer in Krieg und Krisenzeiten." Mit der Materie hat sich der Fachbereichsleiter für "Haus und Siedlung" im bayerischen Landesverein für Heimatpflege intensiv auseinandergesetzt.

In Münsing wie im gesamten Freistaat verschwanden die meisten alten bäuerlichen Höfe zwischen den 1950er- und 1960er-Jahren weitgehend aus dem Dorfkern. Das hing mit dem sozioöknomischen Strukturwandel und der zunehmenden Technisierung zusammen. Um 1950 begann sich der Traktor als landwirtschaftliches Nutzfahrzeug durchzusetzen. Neue Bewirtschaftungsgeräte kamen auf. Arbeitspferde, Knechte und Mägde als Zuarbeiter wurden nicht mehr benötigt. Durch Umbauten passten die Landwirte die alten Wohn-Stallhäuser den neuen Maschinen und Lebensverhältnissen mit weniger Raumbedarf an oder ersetzten die Gebäude durch Neubauten.

Gleichzeitig entsprachen die bisherigen, teils abgewohnten Bauernhöfe nicht mehr den Ansprüchen der modernen Zeit - ohne Zentralheizung, mit einfachen Sanitäranlagen, niedrigen Deckenhöhen und kleinen Fenstern. Für viele widersprach das Althergebrachte dem Lebensgefühl moderner Entwicklungsstandards. Dufter spricht salopp davon, dass das "alte Klump" damals eben nicht so wertgeschätzt wurde. So bestimmte auch auf dem Land laut Dufter mehr und mehr das typische 1960er-Jahre-Haus mit großen Panoramafenstern und Thermopenscheiben ohne Sprossen das Erscheinungsbild. Der Wohnkomfort stieg zwar, aber die stilbildende Identität der historischen Bauernhöfe für das Dorfbild ging verloren. Erst 1973 wurde ein Denkmalschutzgesetz erlassen. Das beförderte ein langsames Umdenken, die Qualität der historischen Baukultur wieder neu wertzuschätzen und ihr eigenen Wert zuzugestehen. Das bedeutet für Dufter nicht, dass alle historische Bausubstanz in Kommunen nie verändert werden darf. "Es braucht eine Balance zwischen Tradition und Fortschritt", sagt er. "Die Qualität muss erhalten bleiben."

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SZ vom 21.12.2021 / bene
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