Süddeutsche Zeitung

Lenggries/Walchensee:Zukunftspläne für die Isar

Lesezeit: 2 min

Die Rechte für das Wasserkraftwerk am Walchensee laufen im Jahr 2030 aus. Der Verein "Rettet die Isar" fordert eine ökologische Aufrüstung.

Von Kathrin Müller-Lancé, Lenggries/Walchensee

Seinen Trumpf zieht Karl Probst erst am Ende. Er parkt seinen Wagen auf einem Wanderparkplatz am Isarufer. Hier schlängelt sich der Fluss durchs Kiesbett, fast türkisblaues Wasser, im Hintergrund die Berge. Idyllischer geht es kaum. "Da wäre vor 1990 nichts geflossen", sagt Probst, Vorsitzender des Vereins "Rettet die Isar". Erst damals nämlich erreichten die Umweltschützer, dass eine bestimmte Menge Restwasser in der Isar bleiben muss.

Das Problem: Das benachbarte Walchenseekraftwerk entzieht der Isar und ihren Nebenflüssen Wasser. Um mehr Co₂-freien Strom produzieren zu können, leiten die Betreiber Wasser aus den Flüssen in Richtung Kraftwerk um. Die Flussbetten veröden, Fische sind gefährdet. Dass es den Verein "Rettet die Isar" seit 1974 gibt, hat also mit einem Paradox zu tun: Das Mehr an ökologischem Strom auf der einen Seite bedeutet ein Weniger an ökologischer Vielfalt auf der anderen Seite, zumindest in bestimmten Bereichen.

Gut 300 Gigawattstunden Strom produziert das Walchenseekraftwerk nach eigenen Angaben pro Jahr, das entspricht dem Jahresbedarf von rund 85 000 Haushalten. "Wir haben gar nichts gegen das Kraftwerk an sich", sagt Probst. "Aber wir fordern, dass die ökologischen Mängel ausgeglichen werden." Bei einer Tour entlang der oberen Isar geben Probst und weitere Mitglieder des Vereins einen Überblick über ihre Forderungen. Dass sie die Öffentlichkeit besonders suchen, hat damit zu tun, dass die Wassernutzungsrechte für das Walchenseekraftwerk im Jahr 2030 auslaufen. Der bisherige Betreiber Uniper möchte das Kraftwerk weiterführen. Man habe das bei den Behörden entsprechend platziert, teilt Uniper-Sprecher Theodoros Reumschüssel mit. Ob Uniper die Konzessionen bekommt, ist aber offen. "Rettet die Isar" fordert, dass in den neuen Verträgen dem Schutz der Wildflusslandschaft mehr Platz eingeräumt wird. "Wer in Zukunft das Kraftwerk betreibt, muss sich darum kümmern, dass die Ökologie in einem einwandfreien Zustand ist", so Probst. Ein Hauptanliegen des Vereins: Wie in der Isar soll auch in ihren Zuflüssen künftig mehr Restwasser verbleiben. "So etwas hätten wir am Rißbach auch gerne", sagt Probst und zeigt auf die blauen Kurven der oberen Isar.

Die Formel "Mehr Wasser gleich mehr Ökologie" stimme aber nicht, erwidert Reumschüssel. So habe die Einführung der Mindestwassermenge für die Isar auch den Verzicht auf rund 50 Millionen Kilowattstunden emissionsfreien Wasserkraftstroms bedeutet. Außerdem gebe es Umweltschützer, die das trockene Flussbett als ökologische Nische für Flora und Fauna verteidigten. Dieses Argument stellt Probst nicht zufrieden: Die angeblich gefährdete Tamariske sei auch an den Isar-Abschnitten mit Restwasser zu finden.

Bei seiner Tour macht der Verein noch auf andere Punkte aufmerksam. Am Krüner Wehr, wo der Isar das Wasser abgezweigt wird, geht es um das Geschiebe, also den Kies, den das Wasser mit sich bringt und der sich nach und nach staut. Es müsse eine Lösung gefunden werden, wie das Gestein abtransportiert werden könne, fordert der Verein. Die Fischtreppe indes, die die Kraftwerkbetreiber aufgestellt haben, begrüßen die Isarschützer ausdrücklich. "Die Durchgängigkeit für Fische müsste aber an noch mehr Stellen gefördert werden", sagt Probst.

Ein Zwischenstopp am Sachensee macht ein weiteres Problem deutlich: An einigen Stellen glitzert das Wasser noch blau, an anderen ist es schlammfarben. Der Obernachkanal, der in den See mündet, schwemmt große Mengen Sedimente an - der See verlandet. Wer das Walchenseekraftwerk betreibt, müsse sich auch um die Reinigung des Sees kümmern, findet der Verein. "Es gibt keinen Grund, den Sachensee auszubaggern", sagt hingegen Uniper-Sprecher Reumschüssel. Die Verlandung sei ein natürlicher Prozess, wie er an allen Seen zu beobachten sei. Die eingetragenen Sedimente seien unschädlich.

Auch wenn bis 2030 noch ein wenig Zeit ist, halten Probst und seine Mitstreiter es für wichtig, sich jetzt mit der Zukunft des Kraftwerkes auseinanderzusetzen. "Man muss zum Beispiel rechtzeitig Gutachter losschicken, die prüfen, was die richtige Restwassermenge für einen guten ökologischen Zustand wäre", sagt Probst. "Damit kann man nicht erst im Jahr 2029 anfangen."

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SZ vom 10.09.2021
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